Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsanwaltsvergütung: Entstehen einer Einigungsgebühr im Zusammenhang mit der Nutzung der Ehewohnung
Leitsatz (amtlich)
Wird ein Verfahren auf Zuweisung der Ehewohnung übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem es unter Mitwirkung der Prozessbevollmächtigten der Parteien zu einer Versöhnung zwischen ihnen gekommen ist, fällt die Einigungsgebühr nach Nr. 1000, 1003 RVG-VV an. Denn die Parteien haben nicht nur übereinstimmende Erledigungserklärungen abgegeben, sondern zuvor eine materiell-rechtliche Einigung - durch schlüssiges Verhalten - über die gemeinsame Nutzung der Ehewohnung erzielt.
Normenkette
RVG-VV Nrn. 1000, 1003
Verfahrensgang
AG Heilbronn (Beschluss vom 22.09.2008; Aktenzeichen 6 F 1270/08) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss der Familienrichterin des AG Heilbronn - FamG - vom 22.9.2008 - 6 F 1270/08, abgeändert:
Auf die Erinnerung des Beschwerdeführers wird der Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des AG Heilbronn vom 18.8.2008 - 6 F 1270/08, dahin abgeändert, dass zusätzlich zu den festgesetzten 833 EUR weitere 323,68 EUR, damit insgesamt 1.156,68 EUR als Vergütung gegen die Staatskasse festgesetzt werden.
Die Verfahren über die Erinnerung und die Beschwerde sind gebührenfrei. Kosten werden in beiden Verfahren nicht erstattet.
Gründe
1. Im Verfahren auf Zuweisung der Ehewohnung wurde dem Antragsgegner der Beschwerdeführer als Verfahrensbevollmächtigter im Rahmen der Prozesskostenhilfebewilligung (ohne Zahlungspflichten) beigeordnet.
Nach Zuweisung der Wohnung an die Antragstellerin im Wege der einstweiligen Anordnung erklärten die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 10.7.2008 das Verfahren übereinstimmend für erledigt, nachdem es unter Mitwirkung des Beschwerdeführers zur Versöhnung zwischen ihnen gekommen war.
Die mit dem Vergütungsfestsetzungsantrag vom 21.7.2008 geltend gemachte 1,0-Einigungsgebühr gem. Nr. 1003 RVG-VV i.H.v. 272 EUR zzgl. 19 % Umsatzsteuer wurde vom Urkundsbeamten im Festsetzungsbeschluss vom 18.8.2008 nicht berücksichtigt. Die hiergegen eingelegte Erinnerung wurde durch die Familienrichterin am 22.9.2008 zurückgewiesen. Gegen die am 24.9.2008 zugestellte Entscheidung hat der Beschwerdeführer am 1.10.2008 Beschwerde eingelegt.
Die Familienrichterin hat nicht abgeholfen und die Akte dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.
2. Die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 1 und 3 RVG zulässig und in der Sache auch begründet.
Dem auf Grund der Bewilligung von Prozesskostenhilfe beigeordneten Beschwerdeführer steht ein Anspruch auf die mit seinem Festsetzungsantrag geltend gemachte Einigungsgebühr (272 EUR) nebst Umsatzsteuer (51,68 EUR), insgesamt i.H.v. 323,68 EUR zu.
Zu Recht weist die Familienrichterin daraufhin, dass das Entstehen einer Einigungsgebühr eine materiell-rechtliche Regelung voraussetzt, die durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen mit Rechtsbindungswillen zustande kommt. Sie sieht allerdings in der Versöhnung der Parteien ausschließlich einen rein tatsächlichen Vorgang, durch den eine sachlich-rechtliche Vereinbarung nicht geschlossen worden sei.
Willenserklärungen können jedoch auch konkludent, d.h. durch schlüssiges Verhalten abgegeben werden. Bei Willenserklärungen dieser Art findet das Gewollte nicht unmittelbar in einer Erklärung seinen Ausdruck, der Erklärende nimmt vielmehr Handlungen vor, die mittelbar einen Schluss auf einen bestimmten Rechtsfolgewillen zulassen (Heinrichs/Ellenberger in Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, Einführung vor § 116 BGB Rz. 6 m.w.N.).
Durch die Versöhnung unter Mitwirkung des Beschwerdeführers haben die Parteien aber auch ihren Streit über die Zuweisung der Ehewohnung beseitigt, indem sie sie wieder gemeinsam benutzen und sich durch dieses schlüssige Verhalten mit Rechtsbindungswillen dahingehend geeinigt haben, dass die Ehewohnung beiden zusteht. Erst diese materiell-rechtliche Vereinbarung - zustande gekommen durch beiderseitige konkludente Willenserklärungen - hat im Verhandlungstermin auch die Beendigung des gerichtlichen Verfahrens durch die Abgabe übereinstimmender Erledigterklärungen ermöglicht. Hierdurch wird aber die Einigungsgebühr nach Nr. 1000, 1003 RVG-VV ausgelöst (Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl. 2008, Nr. 1000 RVG-VV Rz. 127; OLG Köln MDR 2006, 539 und JurBüro 2006, 588). Denn die Parteien haben nicht bloß übereinstimmende Erledigungserklärungen abgegeben, sondern zuvor eine materiell-rechtliche Einigung über die gemeinsame Nutzung der Ehewohnung erzielt.
Damit war auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers der weitere Betrag von 323,68 EUR zur Zahlung aus der Staatskasse festzusetzen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.
Fundstellen
Haufe-Index 2057320 |
FamRZ 2010, 232 |
AGS 2008, 595 |
RVGreport 2009, 219 |
OLGR-Süd 2009, 34 |