Leitsatz (amtlich)
Die Erstattungsfähigkeit von Kosten eines Unterbevollmächtigten zugrunde zu legenden fiktiven Reisekosten sind anhand des § 28 BRAGO (jetzt Nr. 7003 bis 7007 RVG-VV) zu ermitteln. Gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 1 BRAGO/Nr. 7003 RVG-VV darf ein Rechtsanwalt grundsätzlich Geschäftsreisen mit dem eigenen Kraftwagen unternehmen. Die Kosten für Flüge von sog. Billigfluglinien sind zur Berechnung fiktiver Reisekosten eines Prozessbevollmächtigten nicht geeignet.
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Beschluss vom 28.01.2005; Aktenzeichen 20 O 491/04) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des LG Stuttgart vom 28.1.2005 dahin abgeändert, dass die vom Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf 1.563,02 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit 13.12.2004 festgesetzt werden.
2. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des LG Stuttgart vom 28.1.2005 zurückgewiesen.
3. Eine Gerichtsgebühr ist nicht zu erheben. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Beschwerdewert: 209,78 EUR.
Gründe
I. Die Klägerin beauftragte einen an ihrem Wohnort ansässigen Rechtsanwalt mit der Erhebung einer Klage vor dem AG Ludwigsburg. Für die Klägerin erschien zum Termin vor dem AG Ludwigsburg am 18.12.2003 als Unterbevollmächtigte Frau Rechtsanwältin K., die der Klägerin für ihre Tätigkeit in diesem Termin auf der Grundlage eines Gegenstandswerts von 4.000 EUR 449,50 EUR in Rechnung stellte.
Nach einer Verweisung des Rechtsstreits an das LG Stuttgart wegen einer Klageerweiterung nahm am Verhandlungstermin vom 1.12.2004 eine Bevollmächtigte der Klägerin mit dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am Gerichtstermin teil. In der Sitzung wurde ein Prozessvergleich geschlossen, laut dem von den Kosten des Rechtsstreits der Beklagte ¾ und die Klägerin ¼ zu tragen haben.
Auf die wechselseitigen Kostenanträge hat die Rechtspflegerin des LG Stuttgart am 28.1.2005 die vom Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten mit 1.367,96 EUR nebst Zinsen festgesetzt. Ergänzend erging ein weiterer Kostenfestsetzungsbeschluss vom 24.2.2005.
Gegen den am 14.2.2005 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28.1.2005 hat die Klägerin am 25.2.2005 die sofortige Beschwerde eingelegt. Mit dieser wendet sie sich gegen die Begrenzung der erstattungsfähigen Kosten für die Unterbevollmächtigte für die Wahrnehmung des Verhandlungstermin am 18.12.2003 auf 169,80 EUR (von der Rechtspflegerin angenommene fiktive Reisekosten von 113,80 EUR zzgl. 56 EUR Abwesenheitsgeld) und verfolgt die Festsetzung von 75 % der ihr von der Unterbevollmächtigten in Rechnung gestellten 449,50 EUR fort.
Mit Beschl. v. 7.4.2005 hat die Rechtspflegerin des LG Stuttgart erklärt, der sofortigen Beschwerde nicht abzuhelfen, und hat die Akten dem OLG Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die zulässige sofortige Beschwerde (§ 104 Abs. 3 ZPO) ist in der Sache weitgehend begründet.
Beschwerdegegenstand sind 75 % der Differenz zwischen den von der Rechtspflegerin angenommenen fiktiven Reisekosten für den Termin vom 18.12.2003 und den sachlich zutreffenden Kosten der Unterbevollmächtigten für die Wahrnehmung dieses Termins, also 209,78 EUR (449,50 EUR abzgl. 169,80 EUR = 279,70 EUR, davon 75 %).
1. Die Kosten eines Unterbevollmächtigten, der für den am Wohnort der Partei ansässigen Rechtsanwalt der Partei Termine beim Prozessgericht wahrnimmt, sind notwendige Kosten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung i.S.v. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, soweit durch die Tätigkeit des Unterbevollmächtigten erstattungsfähige Reisekosten des Hauptbevollmächtigten, nämlich Tage- und Abwesenheitsgeld sowie Fahrtkosten nach § 28 BRAGO (jetzt Nr. 7003 bis 7007 RVG-VV) erspart werden, die ansonsten bei der Wahrnehmung des Termins durch den Hauptbevollmächtigten entstanden wären (BGH v. 16.10.2002 - VIII ZB 30/02, MDR 2003, 233 = BGHReport 2003, 152 = NJW 2003, 898 [899]).
Die Klägerin war hier kostenrechtlich befugt, einen Rechtsanwalt an ihrem Wohnort mit der Wahrnehmung ihrer Interessen im vorliegenden Rechtsstreit zu beauftragen. Im Fall einer eigenen Terminswahrnehmung am 18.12.2003 vor dem AG Ludwigsburg wären deshalb die dem Hauptbevollmächtigten der Klägerin zustehenden Reisekosten dem Grunde nach zu erstatten gewesen. Die Klägerin kann deshalb den Ersatz der Kosten für die statt dessen mit der Terminswahrnehmung beauftragte Unterbevollmächtigten insoweit beanspruchen, als diese Kosten (§§ 53, 26 BRAGO) abzgl. der mit der Vertretung durch den Unterbevollmächtigten in der Verhandlung verbundenen Verringerung der Verhandlungsgebühr des Hauptbevollmächtigten (§ 33 Abs. 3 BRAGO) die ersparten Reisekosten nicht wesentlich übersteigen. Eine geringfügige Überschreitung der ersparten Reisekosten steht der Erstattung der Kosten des Unterbevollmächtigten nicht entgegen. Eine wesentliche Überschreitung wird im Regel...