Verfahrensgang

AG Stuttgart-Bad Cannstatt (Aktenzeichen 6 C 1192/91)

LG Stuttgart (Aktenzeichen 5 S 55/93)

 

Tenor

1. Im Mieterhöhungsrechtsstreit kann das Gericht wegen der Steigerung der ortsüblichen Vergleichsmiete, die in der Zeit zwischen der Datenerhebung zum Mietspiegel und dem Zugang des Mieterhöhungsverlangens eingetreten ist (sog. Stichtagsdifferenz), einen Zuschlag zu dem für die Wohnung zutreffenden Mietspiegelwert machen.

2. Dabei kann es sich aber nicht um einen pauschalen Zuschlag handeln, z.B. im Wege der Schätzung auf Grund eines allgemeinen Preisindexes für die Lebenshaltungskosten oder eines undifferenzierten Wohnungsmietenindexes. Vielmehr ist die Steigerung der ortsüblichen Vergleichsmiete zu ermitteln, die bei vergleichbaren Wohnungen in der Gemeinde eingetreten ist.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin hat an die Beklagten eine 3-Zimmer-Altbauwohnung in Stuttgart-Zuffenhausen vermietet. Unter Bezugnahme auf den am 13.12.1990 veröffentlichten Stuttgarter Mietspiegel verlangte die Klägerin mit Schreiben vom 29.12.1990 Zustimmung zur Erhöhung des Mietzinses, der seit mehr als einem Jahr 630,– DM betrug, auf 760,– DM. In dem Erhöhungsverlangen ordnete die Klägerin die Wohnung in die nach ihrer Ansicht zutreffenden Mietspiegel-Kategorien ein und führte aus, aus der Spanne von 8,90 DM bis 10,60 DM/qm komme ein Mietpreis von 9,30 DM/qm in Betracht, so daß die Vergleichsmiete für die 81,73 qm große Wohnung ohne Betriebskosten monatlich 760,– DM betrage.

Da die Beklagten lediglich einer Erhöhung auf 680,– DM zustimmten, erhob die Klägerin Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung über die anerkannten 680,– DM hinaus auf 760,– DM ab 1.3.1991. Während des Rechtsstreits gab die Klägerin am 31.5.1991 ein erneutes Mieterhöhungsverlangen ab und beantragte Verurteilung zur Zustimmung zur Mieterhöhung auf 760,– DM mit Wirkung ab 1.8.1991.

Das Amtsgericht holte über die ortsübliche Vergleichsmiete für die Wohnung ein schriftliches Sachverständigengutachten ein. Der Sachverständige ordnete die Wohnung in die Mietspiegelkategorien „Altbau bis 20.6.1948, mittlere Wohnlage, gute Ausstattung, Größe 61 bis 90 qm” ein und ging innerhalb der Spanne von 6,95 DM bis 8,35 DM/qm zunächst vom Mittelwert von 7,65 DM/qm aus. Wegen im einzelnen dargelegter Zuschläge für Teilmodernisierung und Abschläge wegen Immissionen usw. setzte der Sachverständige per Saldo einen Zuschlag von 7 % zum Mittelwert an und kam auf 8,19 DM/qm im Mai 1990 (Zeitpunkt der Stichprobenerhebung für den Mietspiegel). Unter Berücksichtigung der Stichtagsdifferenz zwischen dem Erhebungszeitpunkt zum Mietspiegel und dem (vom Sachverständigen für maßgebend gehaltenen) Stichtag 1.8.1991 errechnete er nach dem „Teilindex Wohnungsmieten im Preisindex für die Lebenshaltung – alle privaten Haushalte – in Baden-Württemberg für Altbauwohnungen” eine ortsübliche Vergleichsmiete von 8,66 DM/qm × 81,73 qm = gerundet 708,– DM/Monat.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Es folgte dem Sachverständigen bezüglich der Ermittlung eines qm-Preises von 8,19 DM und führte aus, daß sich damit bei 81,73 qm eine ortsübliche Vergleichsmiete von monatlich 670,– DM ergebe, also weniger als anerkannt. Dagegen lehnte es die Berücksichtigung der Stichtagsdifferenz ab und führte unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung der 13. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart (NJW-RR 91, 1038) sowie OLG Hamburg, NJW 83, 1803 und Sternel, MDR 83, 356 aus, ein pauschaler Zuschlag zu den Werten des Mietspiegels sei nicht zulässig, wenn der Mietspiegel am Stichtag noch keine 2 Jahre alt sei.

Mit der Berufung verlangt die Klägerin weiterhin Zustimmung zur Erhöhung auf 760,– DM ab 1.8.1991.

Die vorlegende 5. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart hält die Auffassung der Vorinstanz und der 13. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart für unzutreffend, daß Preissteigerungen bis zum Stichtag der Mieterhöhung außer Betracht zu bleiben hätten. Sie hat dem Oberlandesgericht folgende Frage zum Rechtsentscheid vorgelegt:

Ist es zulässig, im Mieterhöhungsrechtsstreit bei der Prüfung, ob ein Mieterhöhungsbegehren begründet ist, eine sogenannte Stichtagsdifferenz zwischen dem Zeitpunkt der Erhebungen zum Mietspiegel und dem Zugang des Mieterhöhungsverlangens zu berücksichtigen?

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die Vorlage ist gem. § 541 ZPO zulässig.

Die Rechtsfrage ergibt sich aus einem Wohnraummietverhältnis und ist von grundsätzlicher Bedeutung. Soweit ersichtlich, ist sie durch Rechtsentscheid noch nicht entschieden. Es geht hier um die Frage, ob das Gericht bei der Prüfung der materiellrechtlichen Begründetheit eines Mieterhöhungsverlangens einen Zuschlag zu den Mietspiegelwerten machen darf wegen der seit der Datenerhebungen zum Mietspiegel eingetretenen Mietpreissteigerungen. Rechtsentscheide liegen dagegen lediglich zu der hiermit nicht zu verwechselnden Frage vor, ob es zulässig ist, daß der Vermieter, der sein schriftliches Mieterhöhungsverlangen gem. § 2 Abs. 2 S. 2 MHG unter Bezugnahme auf einen Mietspiegel begründet, zu d...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge