Entscheidungsstichwort (Thema)

Räumung und Herausgabe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Verfahren nach § 541 ZPO ist die Meinung des Landgerichts, daß die vorgelegte Rechtsfrage entscheidungserheblich sei, dann nicht bindend, wenn sie auf der unzutreffenden Auslegung eines Rechtsentscheids des angerufenen Oberlandesgerichts beruht,

2. Der Rechtsentscheid des Senats vom 24.4.1991 – 8 REMiet 1/90, wonach das Mietverhältnis mit einem Betriebsfremden zum Zwecke der Vermietung an einen Arbeitnehmer des Vermieters nur unter besonderen Voraussetzungen gekündigt werden kann, gilt nicht nur in den Fällen, in denen der Mietvertrag keinen Hinweis auf eine Zweckbestimmung als Werkswohnung enthält, sondern allgemein.

 

Normenkette

BGB § 564b; ZPO § 541

 

Verfahrensgang

AG Stuttgart (Aktenzeichen 32 C 9686/91)

LG Stuttgart (Aktenzeichen 16 S 36/92)

 

Tenor

Ein Rechtsentscheid ergeht nicht.

 

Gründe

Das Landgericht hat folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:

Kann ein Vermieter, für dessen Wohnungen ein Dritter ein Belegungsrecht besitzt, das Mietverhältnis mit einem betriebsfremden Mieter, an den die Wohnung mit Zustimmung des Belegungsberechtigten vermietet wurde, aus Gründen später entstehenden Betriebsbedarfs des Dritten kündigen, wenn

a) im vorgedruckten Mietvertragsformular der Hinweis enthalten ist, daß die Wohnung mit Mitteln der Deutschen Bundesbahn errichtet und zweckbestimmt für aktive Bedienstete der Deutschen Bundesbahn ist und im Mietvertrag weiter ausdrücklich festgehalten wird, daß der Mieter betriebsfremd ist,

b) oder allenfalls dann, wenn der Vermieter den Mieter vor Abschluß des Mietvertrages deutlich darauf hinweist, daß im Falle des späteren Auftretens von Betriebsbedarf des Belegungsberechtigten die Wohnung wieder gekündigt werden kann?

Die Vorlage ist unzulässig, weil die Rechtsfrage nicht entscheidungserheblich ist.

Das Landgericht nimmt an, daß der Rechtsentscheid des Senats vom 24.04.1991 (8 REMiet 1/90 = NJW RR 1991, 1294 = OLGZ 1992, 98) nur für die Fälle gelte, in denen der Mieter überhaupt keinen Hinweis darauf erhalten habe, daß die Wohnung unter Umständen wieder als Werkswohnung genutzt werden solle. Es will in anderen Fällen ein berechtigtes Interesse des Vermieters nach § 564 Abs. 1 BGB zwar nicht schon dann bejahen, wenn ein Hinweis auf die an sich gegebene Zweckbindung in allgemeinen Vertragsbestimmungen enthalten ist, auch nicht, wenn der Mieter außerdem als Betriebsfremder bezeichnet wird, wohl aber in dem hier nicht vorliegenden Fall, daß er außerdem über die Absicht der Kündigung bei späterem Auftreten von Betriebsbedarf ausdrücklich belehrt worden ist.

Dabei legt das Landgericht jedoch den Rechtsentscheid des Senats zu eng aus. Dieser besagt:

„Der Betriebsbedarf eines Unternehmers berechtigt nicht zur Kündigung einer an einen Betriebsfremden vermieteten Wohnung – keine Werkswohnung –, wenn der Vermieter diese Wohnung

  1. neu anzuwerbenden Fachkräften zur Verfügung stellen und mit dem Wohnungsangebot seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern will

    oder

  2. einem Arbeitnehmer mit konkretem Wohnbedarf zur Verfügung stellen will.”

Dem Landgericht ist zwar zuzugeben, daß bei der Sachverhaltsschilderung in jenem Beschluß ausgeführt ist, daß der Mietvertrag keinen Hinweis auf die Zweckbestimmung als Werkswohnung enthalte, und daß es in den die Frage zu a) betreffenden Gründen nochmals heißt, daß es sich nicht um eine Werkswohnung handle, daß vielmehr die Wohnung auf unbestimmte Zeit an den betriebsfremden Beklagten ohne jeden Hinweis auf die Eigenschaft einer Werkswohnung vermietet worden sei. Doch hat das Landgericht daraus zu Unrecht den Schluß gezogen, daß sich der Rechtsentscheid auf Fälle beschränke, in denen der Mieter keinen derartigen Hinweis erhalten habe. Denn zum einen ist die Einschränkung nicht in den Entscheidungssatz aufgenommen. Und zum anderen zeigt die Gegenüberstellung und Abwägung der Interessen von Vermieter und Mieter sowohl zur Frage a) wie insbesondere auch zu der hier einschlägigen Frage b), wo diese Besonderheit überhaupt nicht mehr erwähnt wurde, daß die Bejahung eines berechtigten Interesses des Vermieters an der Kündigung – § 564 b Abs. 1 BGB – davon abhängt, ob zu dem Wohnbedarf des Arbeitnehmers noch weitere Gründe hinzukommen, die gerade den Bezug dieser speziellen Wohnung durch ihn für die Führung des Betriebes des Vermieters (hier des zur Belegung der Wohnung Berechtigten) als notwendig erscheinen lassen. Diese gesteigerten Anforderungen an die Bejahung eines berechtigten Interesses zur Kündigung gegenüber einem betriebsfremden Mieter können vom Vermieter nicht dadurch außer Kraft gesetzt werden, daß er dem Mieter gegenüber erklärt, er wolle sich bereits bei gewöhnlichem Wohnbedarf eines Arbeitnehmers ein Kündigungsrecht vorbehalten. Denn eine derartige Offenlegung könnte die Gewichtung der beiderseitigen Interessen nicht verändern und würde sich deshalb als eine nach § 564 b Abs. 6 BGB unwirksame Vereinbarung darstellen.

Daß ein derart qualifizierter Bedarf fehlt, hat das Landgerich...

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