Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflegeheim. Nichtigkeit der Erbeinsetzung. Testament

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Einsetzung des Heimes, in dem sich der einzige Sohn und Vorerbe der Erblasserin befindet, als alleiniger Nacherbe ist nicht gem. §§ 14 HeimG, 134 BGB nichtig, wenn die Testamentserrichtung vor dem zum 1.1.1975 erfolgten Inkrafttreten des Heimgesetzes vom 7.8.1974 vorgenommen wurde.

2. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Verstoß gegen §§ 14 HeimG, 134 BGB vorliegt, kommt es auf den Zeitpunkt der Testamentserrichtung an und nicht auf den Eintritt des Erbfalls. Eine Rückwirkung wurde dem HeimG nach den Übergangsvorschriften in § 23 HeimG nicht beigemessen, auch nicht bezüglich seines § 14.

 

Normenkette

HeimG § 14; BGB § 134; HeimG §§ 23, 25

 

Verfahrensgang

Notariat Filderstadt II - NachlG (Aktenzeichen II NG 31/02)

 

Tenor

I. Auf die befristete Beschwerde des Beschwerdeführers wird das Notariat - Nachlassgericht - Filderstadt II zur Erteilung eines neuen, dem eingezogenen gleichlautenden Erbscheins angewiesen.

II. Von der Erhebung der Gerichtskosten wird abgesehen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

Beschwerdewert: 304.500 EUR

 

Gründe

1. Nach Erteilung des Erbscheins am 13.6.2009 für den Beschwerdeführer als alleinigen Nacherben des am 20.9.2008 verstorbenen einzigen Sohnes der Erblasserin und Vorerben auf Grund des notariellen Testaments vom 16.7.1974 hat das Nachlassgericht auf die Anregung der Nachlasspflegerin mit Beschluss vom 16.4.2010 den Erbschein als unrichtig eingezogen, weil die Erbeinsetzung des Beschwerdeführers gem. § 134 BGB i.V.m. § 14 LHeimG B-W (bzw. früher § 14 HeimG) unwirksam sei. Im Einzelnen wird zur Sachverhaltsdarstellung auf den Beschluss vom 16.4.2010 verwiesen.

Gegen die am 20.4.2010 zugestellte Entscheidung hat der Beschwerdeführer durch seinen Verfahrensbevollmächtigten beim Notariat am 29./30.4.2010 Beschwerde eingelegt, die entgegen der Vorankündigung nicht begründet wurde.

Das Nachlassgericht hat die Akten ohne Abhilfe mit Beschluss vom 27.5.2010 dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.

2. Die befristete Beschwerde ist zulässig und begründet.

a) Gemäß Art. 111, 112 FGG-RG richtet sich das vorliegende Beschwerdeverfahren nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG).

Gegenstand des Verfahrens ist die erfolgte Einziehung eines unrichtigen Erbscheins gem. § 2361 BGB und damit die Durchführung eines Abänderungs-/Aufhebungsverfahrens i.S.d. Art. 111 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 FGG-RG, das anlässlich der Anregung der Nachlasspflegerin vom 2.11.2009, also nach dem Inkrafttreten des FamFG, eingeleitet wurde.

b) Die befristete Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§§ 353 Abs. 2, 58 ff. FamFG).

Insbesondere ist der Beschwerdeführer beschwerdeberechtigt gem. § 59 Abs. 1 FamFG. Frist und Form für die Beschwerdeeinlegung sind gewahrt (§§ 63, 64 FamFG) und der Beschwerdewert (§ 61 Abs. 1 FamFG) erreicht. Die unterlassene Beschwerdebegründung (§ 65 Abs. 1 FamFG) ist unschädlich (Gottwald in Bassenge/Roth, FamFG/RpflG, 12. Aufl. 2009, § 65 FamFG Rz. 2).

Der Zulässigkeit steht § 353 Abs. 2 FamFG nicht entgegen.

Zwar ist der Erbschein bereits eingezogen, so dass die Beschwerde gegen den Einziehungsbeschluss nur insoweit zulässig ist, als die Erteilung eines neuen gleichlautenden Erbscheins beantragt wird (§ 353 Abs. 2 Satz 1 FamFG). Die Beschwerde gilt jedoch im Zweifel als Antrag auf Erteilung eines neuen gleichlautenden Erbscheins (§ 353 Abs. 2 Satz 2 FamFG; J. Mayer in MünchKomm/ZPO, Bd. 4, FamFG, 3. Aufl. 2010, § 353 Rz. 16; Bassenge in Bassenge/Roth, FamFG/RpflG, 12. Aufl. 2009, § 353 FamFG Rz. 15; Zimmermann in Keidel, FamFG, 16. Aufl. 2009, § 353 Rz. 20-22; je m.w.N.), so dass nach der gesetzlichen Auslegungsregel von der Zulässigkeit des Rechtsmittels auszugehen ist.

c) Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Entgegen der Auffassung des Notariats ist die Nacherbeneinsetzung des Beschwerdeführers nicht gem. § 134 BGB i.V.m. § 14 LHeimG B-W (bzw. früher § 14 HeimG) unwirksam, so dass der erteilte Erbschein gem. § 2361 BGB als unrichtig einzuziehen war.

Das notarielle Testament der Erblasserin wurde am 16.7.1974 errichtet.

Das Heimgesetz vom 7.8.1974 trat gem. § 25 HeimG am 1.1.1975 in Kraft. Eine Rückwirkung wurde ihm nach den Übergangsvorschriften in § 23 HeimG nicht beigemessen, auch nicht bezüglich seines § 14.

Das LHeimG B-W stammt seinerseits vom 10.6.2008. Der dortige § 14 in seiner aktuellen Fassung hat nicht § 14 HeimG ersetzt (vgl. Wortlaut der beiden Vorschriften).

Danach erfolgte die Testamentserrichtung zu einem Zeitpunkt, als das Heimgesetz weder verkündet noch in Kraft getreten war, so dass ein Verstoß gegen dieses mit der Folge der Nichtigkeit gem. § 134 BGB nicht vorgelegen hatte.

Anders als beim Vermächtnis, das unwirksam ist, wenn es beim Eintritt des Erbfalls gegen ein zu dieser Zeit bestehendes gesetzliches Verbot verstößt (§ 2171 Abs. 1 BGB), ist im Übrigen für die Anwendbarkei...

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