Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Frage des Nichtraucherschutzes im Warteraum des Krankenreviers einer Justizvollzugsanstalt

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage des Nichtraucherschutzes im Warteraum des kranken Reviers einer Justizvollzugsanstalt

 

Normenkette

JVollzGB I BW § 24; JVollzGB III BW § 32

 

Verfahrensgang

LG Tübingen (Entscheidung vom 05.02.2020; Aktenzeichen 13 StVK 44/19)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts ‒ Strafvollstreckungskammer ‒ Tübingen vom 5. Februar 2020 mit den Feststellungen

aufgehoben

und zur erneuten Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht Tübingen

zurückverwiesen.

Der Wert des Verfahrensgegenstands wird auf bis 500 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller verbüßt mehrere Freiheitsstrafen im Strafvollzug der Antragsgegnerin. Er ist Nichtraucher. Am 12. Dezember 2019 musste er von 9:50 Uhr bis 10:28 Uhr im Warteraum 1 des Krankenreviers der Antragsgegnerin zusammen mit rauchenden Mitgefangenen verweilen, um die Anstaltsärztin aufzusuchen.

Am 12. Dezember 2019 hat der Antragsteller einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Tübingen gestellt. Er hat - sinngemäß - die Feststellung begehrt, dass er am 12. Dezember 2019 durch das Vorgehen der Antragsgegnerin - zum wiederholten Male - in seinen Rechten verletzt worden sei, da diese im "Warteraum 1 des medizinischen Dienstes", wo er von 9:50 Uhr bis 10:28 Uhr auf einen Termin beim Arzt gewartet habe, den Nichtraucherschutz nicht gewährleistet habe. Von zehn anwesenden wartenden anderen Gefangenen hätten in seiner Anwesenheit drei Personen geraucht, was auch dem Personal der Antragsgegnerin aufgefallen sei und deutlich zu riechen gewesen wäre. Da er sich der gesundheitsgefährdenden Situation nicht noch länger habe aussetzen wollen, habe er nach 38 Minuten auf die Vorführung zum Arzt schließlich verzichtet.

Mit Schreiben vom 2. Januar 2020 hat er seinen Vortrag ergänzt und dargestellt, dass er auch am 19. Dezember 2019 und zweimal am 2. Januar 2020 im Warteraum 1 auf einen Arzttermin habe warten müssen, obwohl er wieder gezwungen gewesen sei, passiv Zigarettenrauch einzuatmen. Die Ärztin habe ihm den Hinweis gegeben, dies doch selbst den Gefangenen mitzuteilen. Dies führe jedoch nur zu Konflikten, er dürfe dieser gesundheitsschädlichen Situation erst gar nicht ausgesetzt werden.

Der Antragsteller ist der Behauptung des Antragsgegnerin, in ihren Räumen werde ein wirksamer Nichtraucherschutz gewährleistet, entgegengetreten. Vielmehr sei er "andauernd (...) gesundheitsgefährdendem Passivrauchen in geschlossenen Räumen, in denen (er) eingesperrt" sei, ausgesetzt. Die Antragsgegnerin treffe die ihr zur Verfügung stehenden Vorkehrungen nicht in ausreichendem Maß. Wenn ein Gefangener ‒ wie die Antragsgegnerin behauptet ‒ nachträglich wegen eines Rauchverbotsverstoßes "mit 10 Euro danach bestraft" werde, sei der "gesundheitliche Schaden schon passiert und nicht mehr rückgängig zu machen". Er, der Antragsteller, dürfe den gesundheitsgefährdenden Bedingungen erst gar nicht ausgesetzt sein; ein Nichtraucher dürfe nicht zusammen mit Rauchern in einen Raum "gesperrt" werden, wenn die Möglichkeit bestehe, dass geraucht werde oder werden könne. Solange "jeder Raucher seine Rauchutensilien überall mit hinnehmen" dürfe, sei eine Gesundheitsgefährdung für Nichtraucher nicht auszuschließen. Da er derzeit täglich zum medizinischen Bereich gebracht werden müsse, habe die Antragsgegnerin besonders dafür Sorge zu tragen, dass er keiner gesundheitsgefährdenden Situation ausgesetzt werde.

Die Antragsgegnerin hat - ohne einen Antrag zu stellen ‒ vorgetragen, dass "der Nichtraucherschutz seitens der JVA ... eingehalten" werde. Im Wartebereich des Krankenreviers sei das Rauchen nicht erlaubt und werde nicht geduldet. Da der Wartebereich verschlossen und nicht einsehbar sei, seien dort jedoch nur unregelmäßig Kontrollen möglich. Gefangene, die dort beim Rauchen angetroffen würden, würden durch die Bediensteten vor Ort gemeldet und sodann wegen Verstoßes gegen das Rauchverbot mit einer Einkaufssperre von 10 Euro durch die zuständige Vollzugsleitung diszipliniert. Die Antragsgegnerin treffe alle ihr zur Verfügung stehenden Vorkehrungen, um den Nichtraucherschutz einzuhalten.

Die Strafvollstreckungskammer hat mit Beschluss vom 5. Februar 2020 den Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin habe mit den von ihr dargestellten Kontrollen in unregelmäßigen Abständen sowie der Ahndung festgestellter Verstöße mit einer Einkaufssperre geeignete Maßnahmen zum Schutz von Nichtrauchern ergriffen. Sie genüge ihrer Fürsorgepflicht in ausreichender Weise. Daran ändere auch nichts, dass innerhalb des kurzen Zeitraums von 9:50 Uhr bis 10:28 Uhr am 12. Dezember 2019 offenbar keine stichprobenartige Überprüfung durchgeführt worden sei. Di...

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