Leitsatz (amtlich)
Zur Haftung des Fahrzeugherstellers wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung.
Normenkette
BGB §§ 31, 823 Abs. 2, § 826; StGB § 263
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 12.11.2021; Aktenzeichen 14 O 281/21) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 12.11.2021, Az. 14 O 281/21, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klagepartei wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern diese nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 35.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. A. Die Klagepartei verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen des Erwerbs des streitgegenständlichen Fahrzeugs, da dieses von der Beklagten mit unzulässigen Abschalteinrichtungen versehen worden sei.
Die Klagepartei kaufte das streitgegenständliche Fahrzeug Mercedes-Benz C 300 h am 19.07.2018 von der Beklagten mit einer damaligen Laufleistung von 18.518 km zu einem Preis von 35.500,00 EUR. Das Fahrzeug war von der Beklagten unter Verwendung eines Motors mit der Bezeichnung OM 651 hergestellt worden und verfügt über eine EG-Typgenehmigung nach der Schadstoffklasse Euro 6.
In dem Fahrzeug kommt eine Abgasrückführung (AGR) zur Anwendung, bei der das im Rahmen der Verbrennung entstandene Abgas in den Brennraum zurückgeleitet wird und somit erneut an der Verbrennung teilnimmt, was sich mindernd auf die Stickoxidemissionen (NOx-Emissionen) auswirkt. Die AGR arbeitet bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug u.a. temperaturgesteuert, wird also beim Unterschreiten einer Schwellentemperatur reduziert.
Weiter verfügt das streitgegenständliche Fahrzeug über eine sogenannte "Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung" (KSR), auch als "geregeltes Kühlmittelthermostat" bezeichnet, bei der die - durch den Einsatz einer Kühlung - verzögerte Erwärmung des Motoröls zu niedrigeren NOx-Emissionen führt.
Das streitgegenständliche Fahrzeug weist weiterhin ein SCR-System (selektive katalytische Reduktion) auf. Dabei handelt es sich um eine Abgasnachbehandlung mit dem Harnstoffgemisch AdBlue, das durch die hohen Temperaturen im Abgassystem in Ammoniak umgewandelt wird, der anschließend in einem SCR-Katalysator mit den im Abgas enthaltenen Stickoxiden zu Stickstoff und Wasser reagiert.
Das streitgegenständliche Fahrzeug ist nicht von einem Rückrufbescheid des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen betroffen.
Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.
Erstinstanzlich hat die Klagepartei beantragt für Recht zu erkennen:
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu zahlen
a) 33.421,32 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 08.09.2020, Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des PKW Mercedes-Benz C 300 h T (Fahrzeugidentnummer: ...);
b) weitere 836,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 08.09.2020;
C) außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.437,70 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit;
2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des unter 1.a) bezeichneten PKW in Verzug befindet;
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
B. Das Landgericht hat in der Sache wie folgt für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 33.192,81 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 08.09.2020 abzüglich eines weiteren auf die zweite Nachkommastelle gerundeten Betrages für jeden über 38.542 km hinaus zum Zeitpunkt der Rückgabe des Fahrzeugs gefahrenen Kilometers multipliziert mit dem Faktor 0,15 697 EUR/km zu zahlen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Mercedes-Benz C 300 h, FIN: ... nebst eines weiteren zugehörigen Winterreifensatzes mit Felgen....
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs gem. Ziff. 1 in Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei weitere 1.437,70 EUR außergerichtliche Anwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.07.2021 zu zahlen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat das Landgericht u.a. ausgeführt, die Beklagte hafte dem Grunde nach aus §§ 826, 31 BGB bzw. §§ 831, 249 BGB. Das Bestreiten einer sittenwidrigen Schädigung durch die Beklagte sei unbeachtlich, deshalb seien die von der Klägerseite behauptete Optimierung der Nox-Emissionen auf dem Prüfstand zu Grunde zu legen.
C. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Be...