Entscheidungsstichwort (Thema)
Der Vermieter räumt dem Mieter für den ersten Vermietungsfall nach Vertragsablauf in sinngemäßer Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen über das Vorkaufsrecht ein Vormietrecht ein.
Verfahrensgang
LG Ellwangen (Urteil vom 17.04.2019; Aktenzeichen 5 O 392/18) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Ellwangen vom 17.04.2019 dahin abgeändert, dass die Klage abgewiesen wird.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Vollstreckung kann abgewendet werden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages geleistet wird.
Streitwert der Berufung: 141.954,60 EUR
Gründe
I. Es geht um die Räumung und Herausgabe von Geschäftsräumen, die die Klägerin der Beklagten vermietete. Der von der Beklagten gestellte Formularvertrag enthält u.a. folgende Regelung:
"§ 21 Vormietrecht
Der Vermieter räumt dem Mieter für den ersten Vermietungsfall nach Vertragsablauf in sinngemäßer Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen über das Vorkaufsrecht ein Vormietrecht ein."
Die Beklagte übte mit Schreiben vom 19.09.2018 das Vormietrecht aus, nachdem die Klägerin das Mietverhältnis mit Schreiben vom 23.06.2018 gekündigt und mit der Firma ... einen Anschlussmietvertrag abgeschlossen hatte. Die Klägerin meint, das Vormietrecht sei nicht wirksam vereinbart und verlangt deshalb Räumung und Herausgabe der Geschäftsräume. Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen wird, verurteilte die Beklagte antragsgemäß.
Die Beklagte greift das Urteil an und macht geltend, eine vorläufige Vollstreckung würde ihr nicht wiedergutzumachende Nachteile bringen.
Sie beantragt,
1. das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.
2. der Beklagten im Falle einer Zurückweisung der Berufung zu gestatten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Klägerin abzuwenden.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie verteidigt das Urteil. Vorsorglich kündigte sie das eventuelle neue Mietverhältnis mit Schriftsatz vom 23.10.2019 fristlos.
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Die Beklagte ist nicht zur Räumung und Herausgabe verpflichtet. Durch die Ausübung des Vormietrechts mit Schreiben vom 19.09.2018 kam zwischen den Parteien ein neuer Mietvertrag zustande. Der das Vormietrecht enthaltende § 21 war wirksamer Bestandteil des ursprünglichen Mietvertrags aus dem Jahr 2000. Ebenso lagen die Voraussetzungen für die Ausübung des Vormietrechts vor und die Klägerin war nicht berechtigt, das neu zustande gekommene Mietverhältnis außerordentlich fristlos zu kündigen.
1. Die in § 21 enthaltene Regelung, bei der es sich um eine von der Beklagten gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 S. 1 BGB handelt, wurde wirksamer Bestandteil des Mietvertrags vom 15./29.11.2000. Die Regelung ist weder überraschend noch intransparent noch unangemessen benachteiligend.
a) § 21 des Mietvertrags verstößt aus den vom Landgericht dargelegten Gründen nicht gegen § 305 c Abs. 1 BGB. Die Vereinbarung eines Vormietrechts ist nicht unüblich, sondern kommt bei der Anmietung von Supermarktflächen nicht selten zur Anwendung, was sich auch in der Diskussion des Rechtsinstituts in der juristischen Fachliteratur zeigt. Etwas ungewöhnlich erscheint zwar, dass die Klausel sich am Ende des Mietvertrags und nicht bei den Regelungen zu Laufzeit, Optionsrecht und Vertragsverlängerungen in § 2 des Mietvertrags findet. Nachdem der Bestimmung jedoch in § 20 Vereinbarungen zur außerordentlichen Kündigung vorangehen, sie nicht als Absatz oder Satz in einer umfangreichen Regelung "versteckt", sondern alleiniger Gegenstand von § 21 ist, der die Überschrift "Vormietrecht" trägt, die zudem zentriert gedruckt ist und sich die Unterschrift der Parteien auf jeder der 11 Seiten des Mietvertrags befindet, genügt die Bestimmung den Anforderungen von § 305 c Abs. 1 BGB.
b) Die Regelung des § 21 verstößt nicht gegen § 307 Abs. 1 S. 2 BGB.
aa) Gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners, die gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB die Unwirksamkeit der betreffenden Bestimmung zur Folge hat, auch daraus ergeben, dass diese nicht klar und verständlich ist. Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen, den Regelungsgehalt einer Klausel möglichst klar und überschaubar darzustellen. Zudem verlangt das aus dem Transparenzgebot abgeleitete Bestimmtheitsgebot, dass die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Der Verwender muss die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für ihn keine ungerechtfertigten Beurteilungs...