Leitsatz (amtlich)
Starke, länger andauernde und damit nicht mehr zumutbare Sonnenlichtreflexionen muss der Nutzer einer Wohnung auf seiner Terrasse und in seinem Wohn- und Esszimmer nicht hinnehmen, wenn der Störer, der für die lichtreflektierende bauliche Anlage verantwortlich ist, nicht darlegt und ggf. beweist, dass die Lichtreflexionen mit zumutbaren Mitteln nicht ausgeschlossen oder auf ein zumutbares Maß reduziert werden können.
Normenkette
BGB §§ 906, 1004
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 18.06.2008; Aktenzeichen 18 O 505/07) |
Tenor
1. Das Urteil des LG Stuttgart vom 18.6.2008 - 18 O 505/07, wird abgeändert und die Beklagte verurteilt, das fest verglaste Oberlicht auf dem Dach des Hauses 161 in Stuttgart - soweit dieses zum Grundstück 171 in Stuttgart hin ausgerichtet ist - durch geeignete Maßnahmen in den Zustand zu versetzen, der ausschließt, dass von dem fest verglasten Oberlicht auf dem Haus 161 zu dem Grundstück 171 hin an sonnigen Tagen, insbesondere im Zeitraum von März bis Oktober des Jahres, unzumutbare Reflexblendungen ausgehen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Beklagte. Die Kosten der Nebenintervention werden nicht erstattet.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 7.500 EUR.
Gründe
I. Die Kläger begehren von der Beklagten die Beseitigung der Blendwirkung, die von einem Oberlicht des Gebäudes der Beklagten auf die Wohnung der Kläger einwirkt.
Bezüglich des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des Urteils des LG Stuttgart vom 18.6.2008 verwiesen.
Mit dieser Entscheidung hat das LG Stuttgart die Klage abgewiesen. Ein Beseitigungsanspruch der Kläger bestehe gem. §§ 903, 1004 BGB nicht. Die Reflexionswirkung des Sonnenlichts durch das Oberlicht des Gebäudes der Beklagten sei nicht so wesentlich, dass die Kläger von der Beklagten Umbaumaßnahmen verlangen könnten. Die Umbaumaßnahmen des Oberlichts verursachten einen erheblichen Aufwand der Beklagten, während eine Vielzahl anderer Reflexionsmöglichkeiten hingenommen werden würde. Der Sachverständige im selbständigen Beweisverfahren habe Störungen je nach Jahreszeit von 20 bis 30 Minuten und insgesamt von einer dreiviertel Stunde ermittelt. Wenn der Sachverständige Beeinträchtigungen von einer halben Stunde für intolerabel halte, sei dies angesichts der Regelungen für künstliche Lichtquellen nicht nachvollziehbar.
Die Kläger hätten eine Vielzahl von Möglichkeiten, die Auswirkungen der Lichtreflexe wesentlich zu verringern. Bei Abwägung aller dieser Umstände sei ein Eingriff der Nachbarn in ihre Dachkonstruktion nicht zumutbar. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils des LG Stuttgart verwiesen.
Dagegen wendet sich die Berufung der Kläger. Das Oberlicht, von dem die Blendwirkung ausgehe, sei erst nachträglich am 12.7.2001 baurechtlich genehmigt worden. In der Nachtragsbaugenehmigung sei auf die Nebenbestimmungen der ursprünglichen Baugenehmigung verwiesen worden. Dort sei in der Nebenbestimmung Nr. 14 ausgeführt, dass insbesondere bei Verwendung von stark reflektierendem Material für das Dach entsprechende Maßnahmen gegen Beeinträchtigungen durch Reflexblendungen notwendig seien. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die streitgegenständlichen Gebäude in einem reinen Wohngebiet lägen.
Die Beeinträchtigungen durch die Blendwirkung des Oberlichts seien von den Klägern nicht hinzunehmen. Der Sachverständige G., der die Beseitigung der Blend- und Reflexionsbildung des Tonnendaches zu überprüfen hatte, habe in seinem Gutachten vom 21.5.2002 festgestellt, dass insbesondere vom Glasdachfenster zu bestimmten Zeiten eine erhebliche Reflexblendung ausgehe. Maßnahmen gegen Reflexblendungen des Oberlichts seien von der Beklagten wieder zurückgebaut worden, nachdem der hierfür verantwortliche Handwerker dilettantisch gearbeitet habe und deshalb durch Schraubenlöcher im Rahmen des Oberlichts Wasser bei Niederschlag habe eindringen können. Das selbständige Beweisverfahren zur Blendwirkung des Oberlichts habe ergeben, dass von dem Oberlicht starke und für ein reines Wohngebiet wie im vorliegenden Fall deutlich zu hohe, erheblich beeinträchtigende Lichtreflexionen ausgingen. Die Kläger verweisen auf die Ausführungen des Sachverständigen K. im selbständigen Beweisverfahren des LG Stuttgart, AZ: 18 OH 4/04.
Die Beklagte sei dafür verantwortlich, bei der Gestaltung des Daches eine Lösung zu finden, die unzumutbare Reflexionen ausschließe. Die Beklagte habe sich über die auch für die Nachtragsbaugenehmigung geltenden Nebenbestimmungen der Baugenehmigung hinweg gesetzt. Vor diesem Hintergrund sei eine Abänderung des Oberlichts nicht unzumutbar. Den Klägern sei es nicht zuzumuten, im Hochsommer die Nutzung ihrer Terrasse für solche Zeiten, die regelmäßig am späteren Nachmittag liegen, einzustellen und sich hinter heruntergelassenen Rollläden zu verschanzen. Die Beeinträchtigung in den Sommermonaten von täglich etw...