Leitsatz (amtlich)
1. Die Dringlichkeitsvermutung aus § 12 Abs. 2 UWG gilt analog für Unterlassungsansprüche aus dem Markenrecht.
2. Für die Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung aus § 12 Abs. 2 UWG durch zu langes Zuwarten mit der Einreichung des Verfügungsantrags gelten keine starren Fristen.
3. Eine Zeitspanne zwischen Kenntniserlangung und Antragstellung von unter einem Monat ist - abgesehen von Fällen der besonderen Dringlichkeit, wie sie beispielsweise bei Messe- oder Marktsachen häufig gegeben sein wird - regelmäßig unschädlich, wohingegen ein Zuwarten von über acht Wochen regelmäßig die Dringlichkeitsvermutung widerlegt. Jedoch sind die Besonderheiten des Falles zu berücksichtigen.
4. Schädlich sind alle Zeitläufte bloßen Zuwartens, die nicht mehr mit einer beschleunigten Sachbearbeitung zum Zwecke der raschen Anspruchsdurchsetzung zu begründen sind, so in aller Regel Fristverlängerungs- oder Terminverlegungsanträge im gerichtlichen Verfahren. Analoge Anwendung des § 12 UWG auf Markensache; Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung.
Normenkette
UWG § 12 Abs. 2; ZPO §§ 935, 940
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 13.12.2016; Aktenzeichen 41 O 54/16 KfH) |
Tenor
I. Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Urteil der Vorsitzenden der 41. Kammer
für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 13. Dezember 2016 (Az.: 41 O 54/16 KfH) wird
zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Verfügungsbeklagte.
Gründe
I. Die Verfügungsklägerin verlangt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Unterlassung aus Markenrecht.
Wegen des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem Urteil der Vorsitzenden der 41. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 13. Dezember 2016 (Az.: 41 O 54/16 KfH) Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).
Das Landgericht hat seine einstweilige Verfügung vom 19. Oktober 2016 aufrechterhalten und führt aus:
Der Verfügungsanspruch ergebe sich aus Art. 9 Abs. 2 a), c), Art. 14 UMV, hinsichtlich des Verfügungsanspruchs a) aus der Marke "B...", hinsichtlich des Verfügungsantrags b) aus dem ebenfalls markenmäßig geschützten "B...wappen".
Die Verfügungsbeklagte sei als Täterin passivlegitimiert.
Die Verfügungsklägerin sei Inhaberin der Unionsmarken "B..." und "B...wappen". Diese seien weltbekannt. Sie habe deren Benutzung für "Merchandising-Artikel", darunter auch T-Shirts und Polo-Shirts, glaubhaft gemacht.
Die Beklagte nutze die Marken herkunfthinweisend. Der Verkehr nehme an, es handele sich um "Merchandising-Artikel" der Verfügungsklägerin. Dies gelte nicht nur, wenn der B...schriftzug auf einem eingenähten Etikett auf der Innenseite eines Bekleidungsstücks erscheinen würde, sondern auch und gerade dann, wenn die Wörter und Symbole auf der Vorderseite der Bekleidungsstücke angebracht seien.
Der Verfügungsgrund sei nicht widerlegt. Die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG gelte analog auch im Markenrecht (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 04. Juli 2013 - 2 U 157/12, bei juris). Die Frist von zwei Monaten sei knapp überschritten. Dies sei jedoch unschädlich. Hier sei für die Verfügungsklägerin spätestens mit dem Anruf des beauftragten Verfahrensbevollmächtigten am 11.10.2016 klar gewesen, dass die Abmahnung gegenüber der Beklagten fruchtlos gewesen sei. Die Verfügungsbeklagte selbst habe jedenfalls am 29.09.2016 über die erforderlichen Informationen verfügt, um ihren Kunden ausfindig zu machen. Der daraufhin unmittelbar zeitnah angebrachte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 17.10.2016 sei sowohl gerechnet vom 29.09.2016 als auch gerechnet vom 11.10.2016 nicht verspätet. Von daher könne dahinstehen, ob die Verfügungsklägerin treuwidrig handele, da sie nach dem 29.09.2016 weiteren Aufklärungsbedarf geltend gemacht habe.
Da aufgrund der unterschiedlichen Etiketten der beanstandeten T-Shirts, die von Herrn W... nach Aufforderung vom 15.08./17.08.2016 erst kurz nach dem 23.08.2016 übersandt worden seien, nicht klar gewesen sei, ob diese tatsächlich alle aus dem Betrieb der Beklagten stammten, habe die Klägerin hier nochmals bei Herrn W... nachhaken dürfen. Seine Erklärung stamme vom 01.09.2016. Die Abmahnung sei am 13.09.2016 erfolgt und damit zeitnah. Ein Verfügungsantrag ohne Abmahnung sei nicht geboten gewesen, eine Abmahnung sinnvoll.
Gegen dieses Urteil hat die Verfügungsbeklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel prozessordnungsgemäß begründet.
Sie trägt vor:
Ein Zuwarten über acht Wochen bzw. zwei Monate hinaus sei regelmäßig dringlichkeitsschädlich. Diese Fristen dienten der Rechtssicherheit. Zu rechnen sei ab Kenntnis von der Rechtsverletzung. Darauf, wann der Gegner die Abgabe einer Unterlassungserklärung abgelehnt habe, komme es hingegen nicht an. Die Ablehnung sei auch keine Voraussetzung für den gerichtlichen Rechtsschutz.
Die Verfügungsklägerin habe spätestens am 15. August 2016 - vermutlich sogar schon vor dem 12. August 2016 - Kenntnis von der Person der Beklagten und den angeblich markenverletzenden Prod...