Leitsatz (amtlich)
Zur Schätzung eines nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie zu ersetzenden Schadens, wenn eine bekannte Marke (für ein Gerüstsystem) verwendet wird, um den Leser zum Öffnen einer Werbesendung für ein eigenes Produkt (kompatibles Gerüstsystem) zu veranlassen, indem durch die Gestaltung der Werbesendung der Eindruck erweckt wird, diese stamme vom Hersteller des bekannten Produkts.
Normenkette
MarkenG § 14 Abs. 6; ZPO § 287
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 14.01.2020; Aktenzeichen 17 O 607/19) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 14.01.2020, Az. 17 O 607/19, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1.1 Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 33.550,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.02.2017 zu zahlen.
1.2 Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 32,5% und die Beklagte 67,5%. Von den Kosten in erster Instanz tragen die Klägerin 37,5% und die Beklagte 62,5%.
4. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 14.01.2020, Az. 17 O 607/19, sind vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
5. Die Revision wird zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 49.678,41 EUR
Gründe
I. 1. Die Klägerin ist die führende Herstellerin von Gerüsten und Gerüstsystemen in Deutschland und Europa. Sie ist Inhaberin zahlreicher Marken, u.a. der deutschen Wortmarke "X", eingetragen für Gerüste jeder Bauart (Anlage K4, Bl. 25).
Die Beklagte produziert und vertreibt ein Gerüstsystem, bei dem es sich um einen Nachbau des Gerüstsystems "A" der Klägerin handelt.
Am 08.02.2017 versandte die Beklagte gleich gestaltete Briefe an insgesamt 34.962 Empfänger. An mehreren Stellen war das Wort "X" gegenüber den weiteren Angaben grafisch deutlich hervorgehoben. So enthielten die Briefumschläge neben dem jeweiligen Adressaten die folgende Angabe:
...
In den Briefumschlag eingelegt war ein Werbeblatt mit folgenden Angaben auf der Vor- und Rückseite:
...
...
Außerdem enthielten die Briefumschläge eine Preisliste/Bestellliste mit folgender Angabe:
...
Die Werbematerialien waren darüber hinaus im Zeitraum vom 01.02.2017 bis 16.03.2017 auf der Internetseite der Beklagten abrufbar.
Mit Schreiben vom 15.03.2017 mahnte die Klägerin die Beklagte wegen dieser Werbeaktion ab (Anlage K9, Bl. 30). Auf die Abmahnung der Klägerin gab die Beklagte am 07.04.2017 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, in der sich die Beklagte u.a. verpflichtete, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die bezeichneten Verletzungshandlungen entstanden war und künftig noch entstehen würde (Anlage K10, Bl. 31). Die Klägerin nahm die Unterlassungserklärung an (Anlage K11, Bl. 32).
Nach einigem Streit über die Richtigkeit der von der Beklagten bis dahin erteilten Auskünfte erteilte die Beklagte gegenüber der Klägerin schließlich die Auskunft, dass sie im Zeitraum vom 01.02.2017 bis 30.04.2017 in Deutschland mit den markenverletzend beworbenen Gerüstbauteilen einen Umsatz von netto 669.523,67 EUR erzielt habe (Anlage K14, Bl. 35). Ihren Gewinn bezifferte die Beklagte auf 104.762 EUR. Die Klägerin geht unter Berücksichtigung einer weiteren Rechnung von einem Gesamtumsatz von 670.980,17 EUR aus.
Auf der Basis dieses Umsatzes verlangte die Klägerin von der Beklagten Schadensersatz in Höhe einer fiktiven Lizenzgebühr, die sie mit 8% des erzielten Nettoumsatzes und damit i.H.v. 53.678,41 EUR bezifferte (Anspruchsschreiben vom 15.02.2019, Anlage K15, Bl. 36). Die Beklagte hielt demgegenüber lediglich eine Lizenzgebühr in einer Höhe zwischen 2.500 EUR bis 5.000 EUR für angemessen, was etwa 5 bis 10% des tatsächlich erzielten Gewinns entspräche (Schreiben vom 01.03.2019, Anlage K16, Bl. 37).
Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 53.678,41 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. Februar 2017 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt:
Die Klage wird abgewiesen.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird auf die Schriftsätze und auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Landgerichts Bezug genommen.
2. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Klägerin könne gem. § 14 Abs. 6 MarkenG von der Beklagten im Wege des Schadensersatzes nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie 8% des der Höhe nach unstreitigen Umsatzes von 670.980,17 EUR verlangen.
In Ermangelung anderer geeigneter Anknüpfungspunkte sei an die in den Zeitraum der Werbung fa...