Leitsatz (amtlich)
1. Im Falle einer Anspruchskonkurrenz ist bei der zeitlichen Bestimmung des Eintritts des Versicherungsfalles im Rahmen des § 14 ARB 75 jeder in Betracht kommende Anspruch für sich zu prüfen.
2. Die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen wegen unberechtigter Zwangsvollstreckung ist eine Wahrnehmung von Rechten aus gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen i.S.d. § 14 Abs. 1 ARB 75.
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 17.10.2007; Aktenzeichen 18 O 514/06) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Einzelrichterin der 18. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 17.10.2007 - 18 O 514/06 - wird zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 6.814,25 EUR.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Gewährung von Deckungsschutz aus einer Rechtsschutzversicherung in Anspruch.
Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem Jahr 1993 rechtsschutzversichert. Das Versicherungsverhältnis wurde unter Zugrundelegung der Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 75) begründet und umfasst die Bereiche Familienrechtsschutz (§ 25 ARB 75) und Rechtsschutz für Grundstückseigentum und Miete (§ 29 ARB 75). Der Ehemann der Klägerin ist unstreitig mitversichert.
Die Klägerin begehrt Deckungsschutz für eine beabsichtigte Klage ihres Ehemannes gegen die Kreissparkasse B. Mit dieser Klage sollen Zahlungsansprüche i.H.v. insgesamt 35.714,38 EUR geltend gemacht werden, die darauf gestützt werden, dass die Kreissparkasse B. im Jahre 2003 gegen den Ehemann der Klägerin die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung aus einer Grundschuld betrieben hat, wobei sowohl die zugrunde liegenden Darlehensverträge als auch die Sicherungsabrede unwirksam waren bzw. gewesen sein sollen. Die Kreissparkasse B. hat daher nach Auffassung des Ehemannes der Klägerin die Zwangsverwaltung und Zwangsversteigerung zu Unrecht betrieben.
Die Zahlungsansprüche, die der Ehemann der Klägerin geltend zu machen beabsichtigt, setzen sich wie folgt zusammen:
- Erlös aus Zwangsversteigerung 32.300 EUR
- Erlös aus Zwangsverwaltung: 1.798,50 EUR
- Anwalts- und Gerichtskosten in Zusammenhang mit Zwangsverwaltung und Zwangsversteigerung: 912,92 EUR
- Vorgerichtliche Anwaltskosten 702,96 EUR
Der Ehemann der Klägerin hat gegen die Kreissparkasse B. bereits einen anderen Rechtsstreit vor dem LG Stuttgart (21 O 63/03, später 21 O 88/04) und dem OLG Stuttgart 9 U 142/03, später 9 U 203/04) geführt, in dem zum Einen begehrt wurde, die damals eingeleitete Zwangsvollstreckung u.a. aus der Grundschuld, aber auch darüber hinaus für unzulässig zu erklären. Weiter wurde die Rückzahlung von Zins- und Tilgungsbeträgen begehrt, die vom Ehemann der Klägerin auf zwei Darlehensverträge geleistet worden waren. In diesem Verfahren wurde festgestellt, dass die jeweils im Jahre 1990 abgeschlossenen Darlehensverträge nicht wirksam zustande gekommen waren, da der Ehemann der Klägerin beim Abschluss der Verträge nicht wirksam vertreten war. Die vom Ehemann der Klägerin seinem damaligen Vertreter erteilte Vollmacht wurde vom LG wegen eines Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz als nichtig gem. § 134 BGB angesehen.
Durch Teil- und Grundurteil des LG Stuttgart vom 15.7.2003 wurde die Zwangsvollstreckung insoweit für unzulässig erklärt, "als sie gegen den Kläger in persönlicher Hinsicht erfolgte" (bezogen auf eine - unwirksame - Unterwerfungserklärung des Ehemannes der Klägerin bezüglich einer Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen). Die hiergegen von der Kreissparkasse B. eingelegte Berufung wurde wieder zurückgenommen. Die Kreissparkasse B. wurde später darüber hinaus vom LG Stuttgart durch Schlussurteil vom 23.11.2004 zur Rückzahlung der Zins- und Tilgungsbeträge verurteilt, soweit der Rückzahlungsanspruch nach § 812 BGB noch nicht verjährt war. Die hiergegen eingelegte Berufung der Kreissparkasse B. wurde durch Urteil des OLG Stuttgart vom 6.6.2005 zurückgewiesen.
Die Beklagte beruft sich im vorliegenden Rechtsstreit allein auf eine Vorvertraglichkeit des Versicherungsfalles und verweist auf die Regelung des § 14 Abs. 3 ARB 75. Die Beklagte trägt vor, bei der vom Ehemann der Klägerin beabsichtigten Klage gehe es nicht um Schadenersatzansprüche aufgrund gesetzlicher Haftungsbestimmungen (insoweit wäre § 14 Abs. 1 ARB 75 einschlägig), sondern um Ansprüche aus Vertrag bzw. aus der Rückabwicklung eines unwirksamen Vertrages. Der Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles bestimme sich daher nach § 14 Abs. 3 ARB 75. Nachdem die zwischen dem Ehemann der Klägerin und der Kreissparkasse B. geschlossenen Verträge aufgrund eines bereits 1990 beim Abschluss der Verträge vorliegenden Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz von Anfang an rechtsunwirksam waren, sei der nun anstehende Rechtsstreit, für den Deckung begehrt wird, bereits im Keim angelegt gewesen. Damit sei Vorvertraglichkeit gegeben und die Beklagte nicht eintrittspflichtig....