Leitsatz (amtlich)

1. Wer einen Anspruch auf § 826 BGB stützt, dem obliegt es, zu allen Tatbestandsmerkmalen des § 826 BGB einen zu berücksichtigenden schlüssigen Vortrag zu halten. Nicht zu berücksichtigen ist ein Vortrag, wenn er ohne tatsächliche Anhaltspunkte ins Blaue hinein erfolgt.

2. Ob ein Umstand einen tatsächlichen Anhaltspunkt dafür begründet, dass in einem Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung enthalten ist, ist auf Basis einer vernünftigen Betrachtung der Gesamtaussage des tatsächlichen Umstandes zu beurteilen.

3. Hat das Kraftfahrt-Bundesamt Rückrufbescheide nicht für das streitgegenständliche Fahrzeug aber für andere Fahrzeuge erlassen, so können auch diese einen tatsächlichen Anhaltspunkt für das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung in dem streitgegenständlichen Fahrzeug begründen, sofern es sich um vergleichbare Fahrzeuge handelt. Mindestvoraussetzung für eine solche Vergleichbarkeit ist, dass die vom Rückrufbescheid betroffenen Fahrzeuge über den gleichen Motortyp verfügen wie das streitgegenständliche Fahrzeug und nach der gleichen Schadstoffklasse zertifiziert sind.

4. Ein Rückrufbescheid des Kraftfahrt-Bundesamtes wegen einer sogenannten Konformitätsabweichung begründet in der Regel keinen tatsächlichen Anhaltspunkt für das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung.

 

Normenkette

BGB §§ 31, 823 Abs. 2, § 826

 

Verfahrensgang

LG Heilbronn (Aktenzeichen Ko 4 O 33/18)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 14.11.2018, Az. Ko 4 O 33/18, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages leisten. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Heilbronn ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt von der beklagten Fahrzeugherstellerin Schadensersatz mit der Begründung, das von ihm erworbene Fahrzeug weise eine unzulässige Abschalteinrichtung auf.

Der Kläger kaufte im September 2015 von einem Autohaus den von der Beklagten hergestellten Pkw VW Golf Sportsvan als Neufahrzeug zum Preis von 29.046,76 EUR. Das streitgegenständliche Fahrzeug verfügt über einen 1,6-Liter TDI Motor, EA 288 (EU 6), mit 81kW und ist nicht von einem Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen betroffen.

Der Kläger hat erstinstanzlich u.a. vorgetragen,

in dem streitgegenständlichen Fahrzeug sei eine von der Beklagten entwickelte unzulässige Abschalteinrichtung enthalten.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt:

1. Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerpartei 29.046,76 EUR zzgl. Darlehenszinsen in Höhe von 1.954,53 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.01.2018 Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer ... zu zahlen.

2. Festzustellen, dass sich die Beklagte seit dem 25.01.2018 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1 bezeichneten Gegenstandes in Annahmeverzug befindet.

3. Die Beklagte zu verurteilen, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.564,26 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.01.2018 zu zahlen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich u.a. vorgetragen,

in dem streitgegenständlichen Fahrzeug seien keine unzulässigen Abschalteinrichtungen enthalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrages wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

B. Das Landgericht Heilbronn hat die Klage mit Urteil vom 14.11.2018 im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, der Vortrag des Klägers zu einer unzulässigen Abschalteinrichtung sei ins Blaue hinein erfolgt. Der Kläger führe nur Anhaltspunkte zum Motor EA 189 an, nicht aber zum streitgegenständlichen Motor EA 288.

C. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlich gestellten Anträge weiterverfolgt. Es liege kein Vortrag ins Blaue hinein vor. So befänden sich - wozu er sich u.a. auf ein Schreiben der Beklagten vom 29.12.2015 an das KBA (Anlage BB 1) und auf eine als Anlage BB 10 vorgelegte "Entscheidungsvorlage: Applikationsrichtlinien & Freigabevorgaben EA 288" beruft - in allen von der Beklagten vorgelegten Berichten zu Fahrzeugen mit Motoren des Typs EA 288 Ausführungen dazu, dass außerhalb des Prüfstands andere Betriebsmodi aktiviert würden, die zu substantiellen Überschreitungen der gesetzlichen Grenzwerte führen würden. Beide Dokumente seien dem Kläger erst nach dem Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung bekannt geworden. Die Fahrkurvenerkennung sei im streitgegenständlichen Fahrzeug v...

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