Leitsatz (amtlich)
1. Im Rahmen des Anspruchs auf Differenzschadensersatz nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV muss sich der Geschädigte aufgrund von erfolgten Beschädigungen des erworbenen Fahrzeuges erhaltene Ersatzleistungen Dritter im Rahmen der Vorteilsausgleichung nach § 242 BGB nur in dem Umfang anrechnen lassen, in dem diese bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Kompensation der durch die Beschädigungen verursachten Verminderung des Fahrzeugwertes darstellen.
2. Erfolgt die Ersatzleistung in Form einer Auszahlung der zur fachgerechten Beseitigung der Schäden erforderlichen Reparaturkosten, ist diese - neben dem Restwert des Fahrzeugs in beschädigtem Zustand - in dem Umfang in die Vorteilsberechnung einzustellen, in der eine fachgerechte Reparatur zu einer Erhöhung des Fahrzeugwertes geführt hätte.
Normenkette
BGB §§ 242, 254, 823 Abs. 2; EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1; Verordnung (EG) Nr. 715/2007 Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 S. 1; ZPO § 287
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 16.02.2022; Aktenzeichen 47 O 447/21) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klagepartei wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 16.02.2022 wie folgt abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 3.230,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 06.03.2024 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung der Klagepartei zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klagepartei 84% und die Beklagte 16%; von denen zweiter Instanz tragen die Klagepartei 74% und die Beklagte 26%.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das erstinstanzliche Urteil ist - soweit nicht abgeändert - ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung des Gegners gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern dieser nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf bis 19.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. A. Die Klagepartei verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen des Erwerbs des streitgegenständlichen Fahrzeugs, da dieses von der Beklagten mit unzulässigen Abschalteinrichtungen versehen worden sei.
Die Klagepartei kaufte das streitgegenständliche Fahrzeug Mercedes-Benz C 200 CDI am 31.03.2014 von der Beklagten zum Preis von 32.300,00 EUR. Bei Übergabe am 09.04.2014 wies das Fahrzeug eine Laufleistung von 0 km auf. Das Fahrzeug war von der Beklagten unter Verwendung eines Motors mit der Bezeichnung OM 651 hergestellt worden und verfügt über eine EG-Typgenehmigung nach der Schadstoffklasse Euro 5.
In dem Fahrzeug kommt eine Abgasrückführung (AGR) zur Anwendung, bei der das im Rahmen der Verbrennung entstandene Abgas in den Brennraum zurückgeleitet wird und somit erneut an der Verbrennung teilnimmt, was sich mindernd auf die Stickoxidemissionen (NOx-Emissionen) auswirkt. Die AGR arbeitet bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug u.a. temperaturgesteuert.
Weiter verfügt das streitgegenständliche Fahrzeug über eine sogenannte "Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung" (KSR), auch als "geregeltes Kühlmittelthermostat" bezeichnet, bei der die - aufgrund einer früheren Zuschaltung des großen Kühlkreislaufes - verzögerte Erwärmung des Motors zu niedrigeren NOx-Emissionen führt.
Über ein SCR-System verfügt das Fahrzeug nicht. Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.
Erstinstanzlich hat die Klagepartei zuletzt beantragt für Recht zu erkennen:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerschaft 18.574,25 EUR (Kaufpreis abzüglich der bereits als möglich berechenbaren Nutzungsentschädigung mit Kilometerstand bei Klageinreichung) abzüglich einer weiter zu berechnenden vom Gericht auf Basis einer Gesamtlaufleistung von zumindest 300.000 km zu schätzenden Nutzungsentschädigung für die Nutzung des streitgegenständlichen Fahrzeugs unter Zugrundelegung des Kilometerstandes zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erster Instanz zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Mercedes-Benz C 200 CDI mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer WDD2042011G....
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Entgegennahme des im Klageantrag zu 1. genannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerschaft von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.214,99 EUR freizustellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
B. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
C. Gegen dieses Urteil hat die Klagepartei Berufung eingelegt. Nachdem die Klagepartei erstinstanzlic...