Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Übertragungsgebühren bei Bucheffekten

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 20.05.2003; Aktenzeichen 20 O 101/03)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 30.11.2004; Aktenzeichen XI ZR 49/04)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Stuttgart vom 20.5.2003 - 20 O 101/03 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung gegen sie durch Sicherheitsleistung i.H.v. 2.000 Euro abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 15.000 Euro.

 

Gründe

I. Der Kläger, ein nach § 4 Unterlassungsklagegesetz rechtsfähiger Verband, nimmt die Beklagte auf Unterlassung der im Klageantrag näher bezeichneten Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Anspruch, die für die Übertragung von Wertpapieren auf ein anderes Depot Gebühren vorsehen. Der Kläger ist der Auffassung, dass die Klauseln, soweit diese die Übertragung von Wertpapieren betreffen, die mangels Existenz gegenständlich nicht zurückgegeben werden könnten (Bucheffekten), den Kunden unangemessen benachteiligen.

Der Kläger hat beantragt, der Beklagten bei Meidung der gesetztlichen Ordnungsmittel zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr ggü. Verbrauchern (§ 13 BGB) die nachfolgenden oder inhaltsgleiche Klauseln in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit Depotverträgen über Wertpapiere zu verwenden oder sich auf diese Klauseln zu berufen:

a) Übertragung von Wertpapieren: innerhalb der Kreissparkasse B. 3 Euro (inklusive MwSt) pro Wertpapiergattung

b) Übertragung von Wertpapieren: innerhalb der Sparkassenorganisation 3 Euro (inklusive MwSt) pro Wertpapiergattung

c) Übertragung von Wertpapieren: an netzfremde Institute 15 Euro (inklusive MwSt) pro Wertpapiergattung

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Nachprüfung entzogen seien, da die Übertragung von Wertpapieren auf ein anderes Depot eine zusätzliche, vom Depotvertrag nicht umfasste Leistung darstelle.

Das LG hat der Klage mit Urteil vom 20.5.2003 stattgegeben. Es ist dabei davon ausgegangen, dass die Übertragung von nicht existierenden Wertpapieren auf ein anderes Depot an die Stelle der zu einem Depotvertrag gehörenden Rückgabepflicht trete, mithin die Bestimmungen von einer gesetzlich vorgesehenen Leistung zum Nachteil der Kunden abweichen würden.

Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt, mit der sie geltend macht, dass es sich bei körperlich nicht dokumentierten Werten nicht um Wertpapiere im engeren Sinne handele, weshalb diese auch nicht mit körperlich vorhandenen Wertpapieren gleichgestellt werden dürften. Unter Berücksichtigung der Regelungen in § 9a Abs. 3 S. 2 Depotgesetz, wonach unabdingbares Wesensmerkmal einer Dauerglobalurkunde sei, dass kein Anspruch auf Auslieferung von einzelnen Wertpapiere bestehe, sei die Annahme einer Rückgabepflicht verfehlt. Das Fehlen eines Herausgabeanspruchs gegen die depotführende Bank sei den Kunden auch bekannt, weshalb in der Übertragung von Bucheffekten auch kein Äquivalent zur Herausgabe, sondern eine zusätzliche Leistung zu sehen sei.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des LG Stuttgart vom 20.5.2003 - 20 O 101/03 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger hält das angegriffene Urteil für zutreffend und beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

II. Die Berufung ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Das LG ist mit zutreffender Begründung, auf die verwiesen werden kann, zu dem Ergebnis gelangt, dass die von der Beklagten verwendeten Geschäftsbedingungen, soweit sie Gebühren für die Übertragung von sog. Bucheffekten vorsehen, der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 BGB unterliegen und eine unangemessene Benachteiligung der Kunden enthalten.

Das LG ist bei der Beurteilung der streitgegenständlichen Geschäftsbedingungen von allgemein anerkannten Grundsätzen ausgegangen. Danach unterliegen AGB-Bestimmungen der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 BGB nicht, wenn diese die Art und den Umfang der vertraglichen Hauptleistung und den dafür zu bezahlenden Preis oder das Entgelt für eine zusätzlich angebotene Neben- oder Sonderleistung regeln, für die keine rechtlichen Regelungen bestehen (BGH v. 7.5.1996 - XI ZR 217/95, MDR 1996, 807 = NJW 1996, 2032; v. 14.10.1997 - XI ZR 167/96, MDR 1998, 172 = NJW 1998, 383). Dagegen stellen Entgeltregelungen, die eine nicht auf einer rechtsgeschäftlichen Grundlage für den einzelnen Kunden erbrachte Sonderleistung zum Gegenstand haben, sondern den für die Erfüllung gesetzlich begründeter eigener Pflichten des Klauselverwenders erforderlichen Aufwand auf den Kunden abwälzen, eine Abweichung von Rechtsvorschriften dar und fallen in den Anwendungsbereich der §§ 307 bis 309 BGB (BGH v. 15.7.1997 - XI ZR 269/96, MDR 1997, 1045 = NJW 1997, 2752 f.; v. 14.10.1997 - XI ZR 167/96, MDR 1998, 172 = NJW...

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