Verfahrensgang
LG Heilbronn (Aktenzeichen 8 O 85/22) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 22.03.2023 (8 O 85/22) abgeändert:
a. Der Beklagte wird verurteilt, für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen ein Ordnungsgeld in Höhe von 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft, es zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß über die Klägerin die nachfolgende(n) Behauptung(en) aufzustellen und/oder zu verbreiten und/oder aufstellen und/oder verbreiten zu lassen
"Selten so ein dämliches Stück Hirn-Vakuum in der Politik gesehen wie S ... C .... Soll einfach abtauchen und die Sozialschulden Ihrer Familie begleichen"; wenn dies geschieht, wie in F ... Post vom 15.11.2020 mit der URL (https://www.fxxx.com/jxxx/pxxx/2xxx?co-mment_id=2xxx).
b. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von EUR 540,50 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.10.2021 zu zahlen.
c. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.
4. Das Urteil des Senats und - soweit die Berufung zurückgewiesen wurde - das Urteil des Landgerichts Heilbronn sind vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 10.000,00 EUR
Gründe
I. 1. Die Klägerin verlangt Unterlassung und Geldentschädigung wegen eines F ...posts, der auf dem Konto des Beklagten veröffentlicht wurde.
Die Klägerin ist eine deutsche Politikerin, die von Dezember 2016 bis Dezember 2021 Bevollmächtigte des Landes Berlin beim Bund und Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement und Internationales in der Berliner Senatskanzlei war. Zuvor war sie von Januar 2014 bis Dezember 2016 stellvertretende Sprecherin des Auswärtigen Amts und von März 2010 bis Dezember 2013 Grundsatzreferentin für interkulturelle Angelegenheiten in der Berliner Senatsverwaltung für Inneres und Sport. Sie engagiert sich für junge Muslime und hat 2010 einen Berliner Arbeitskreis gegen Antisemitismus initiiert.
Am 13.11.2020 hat die Klägerin auf T ... als Reaktion auf einen Beitrag von D ... N ..., der in seiner Sendung "N ... im Ersten" mit unzutreffenden Tatsachen über ein Buch gesprochen hatte (K 2), folgenden Beitrag veröffentlicht:
"Immer wieder D ... N ...: so ignorant, dumm und uninformiert. Er nur Witze auf Kosten von Minderheiten machen. Wie lange will @Axxx das mitmachen? Unabhängig davon: Kauft das Buch von @axxxhxxx und bildet euch antirassistisch. Ich verschenke ein paar davon zu Weihnachten."
J ... R ... (CDU-Fraktionsvorsitzender im Landtag von Brandenburg) hat dazu am 15.11.2020 ausgeführt:
"Hat die politische Linke nun endlich einen Vorwand gefunden, einen der wenigen Kabarettisten, der nicht klar links der Mitte steht, vom Sender nehmen zu wollen? D ... N ... hat einen Fehler gemacht, ok. Er ist dennoch ein meist kluger und oft lustiger Beitrag zur Vielfalt in der Medienlandschaft."
Auf dem F ...konto des Beklagten wurde dieser Beitrag am gleichen Tag wie folgt kommentiert:
"Selten so ein dämliches Stück Hirn-Vakuum in der Politik gesehen wie S ... C .... Soll einfach abtauchen und die Sozialschulden Ihrer Familie begleichen."
Die Klägerin hat den Beklagten vorgerichtlich abmahnen lassen (Anlagen K 3, K 4). Der Beitrag ist mittlerweile gelöscht.
Zwischen den Parteien besteht Streit, ob
der Beklagte Urheber des F ...posts ist,
die Klägerin insoweit Unterlassung verlangen kann, weil es sich um eine Schmähkritik beziehungsweise eine üble Nachrede handelt,
insoweit ein Anspruch auf Geldentschädigung besteht.
2. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Die Frage der Urheberschaft sei nicht entscheidend, wobei der Vortrag des Beklagten keine ernstlichen Zweifel wecken könne.
Die Äußerung sei noch von der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) gedeckt. Die Äußerungen seien als Werturteile zu qualifizieren, weil nicht behauptet werde, dass tatsächlich Sozialschulden bestünden, sondern die Praxis sozialer Unterstützung von Einwandererfamilien bewertet werde. Es sei nicht von Schmähkritik auszugehen, weil die Aussage vor dem Hintergrund der vorherigen Beiträge gefallen seien, damit noch ein Sachbezug bestehe. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass lediglich die Sozialsphäre betroffen sei und die Klägerin als öffentliche Person auch polemische und überspitzte Kritik hinnehmen ...