Entscheidungsstichwort (Thema)
Erteilung eines Erbscheins nach der am … in … verstorbenen … geb. …, geboren am …, zuletzt wohnhaft …. Beweisaufnahme
Leitsatz (redaktionell)
Das Beschwerdegericht darf von der Durchführung von Ermittlungen über entscheidungserhebliche Tatsachen nur dann absehen, wenn jede Möglichkeit ausscheidet, dass eine Beweisaufnahme Sachdienliches ergibt.
Normenkette
FGG §§ 12, 15; BGB § 2358 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Kaiserslautern (Beschluss vom 26.11.1997; Aktenzeichen 1 T 178/97) |
AG Rockenhausen (Aktenzeichen VI 93/81) |
Tenor
1. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.
Das Verfahren wird zur erneuten Sachbehandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht Kaiserslautern zurückverwiesen.
2. Der Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 67.500,– DM festgesetzt.
Gründe
Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist in förmlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (§§ 27 Abs. 1, 29 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 4, 20 Abs. 1 und 2, 21 Abs. 2 FGG). In der Sache führt das Rechtsmittel zu einem vorläufigen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Gesetzes (§§ 27 Abs. 1 FGG, 550 ZPO).
Der angefochtene Beschluß ist nicht frei von Verfahrensfehlern. Das Landgericht hätte über die (Erst-)Beschwerde nicht entscheiden dürfen, ohne die Tochter des Beteiligten zu 1), … zur Frage der Echtheit des Testaments vom 18. September 1971 anzuhören.
Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Landgericht davon aus, daß dem Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1) nicht entsprochen werden kann, wenn das angeblich gemeinsam errichtete Testament vom 18. September 1971 – entsprechend dem Vorbringen des Beteiligten zu 2) – nicht von der Erblasserin eigenhändig unterschrieben worden ist (§§ 2267 Satz 1, 2247 Abs. 1 BGB). Den dafür maßgebenden Sachverhalt hat das Landgericht indes nicht hinreichend aufgeklärt (§§ 12, 15 FGG, 2358 Abs. 1 BGB).
Gemäß §§ 12 FGG, 2358 Abs. 1 BGB hat das Gericht von Amts wegen die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen zu veranstalten und die geeignet erscheinenden Beweise aufzunehmen. Die von Amts wegen durchzuführenden Ermittlungen sind so weit auszudehnen, wie es die Sachlage erfordert. Entscheidend ist das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, FGG 13. Aufl. § 12 Rdn. 85 m.w.N.). Dabei kann mit der weiteren Beschwerde überprüft werden, ob die Tatsacheninstanz von ihrem Ermessen in rechtsfehlerhafter Weise Gebrauch gemacht hat (Keidel/Kuntze/Winkler aaO § 27 Rdn. 27 m.w.N.). Dies ist dann der Fall, wenn Tatsachen und Beweisangebote übergangen werden, die mit der (Erst-)Beschwerde geltend gemacht wurden und für die Entscheidung erheblich sind (Keidel/Kuntze/Winkler aaO § 27 Rdn. 50; Jansen, FGG 2. Aufl. § 12 Rdn. 74 und § 27 Rdn. 19; BayObLGZ 1977, 59, 65, jeweils m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen kann der angefochtene Beschluß keinen Bestand behalten.
Der Beteiligte zu 1) hatte zur Begründung seiner (Erst-)Beschwerde vom 28. Mai 1996 geltend gemacht, seine Tochter … sei bei der Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments vom 18. September 1971 zugegen gewesen und habe mit eigenen Augen angesehen, wie die Erblasserin es unterschrieben habe. Dieser Behauptung kann die Entscheidungserheblichkeit für die Frage einer eigenhändigen Unterzeichnung des Testaments vom 18. September 1971 durch die Erblasserin nicht abgesprochen werden.
Dem Landgericht ist allerdings zuzugeben, daß eine Reihe von Umständen erhebliche Zweifel daran aufkommen lassen, ob der Namenszug „…” unter dem gemeinsamen Testament vom 18. September 1971 von der Erblasserin herrührt. Dagegen spricht das Gutachten des Schriftsachverständigen … vom 13. August 1996, der zu dem Ergebnis gelangt, es könne „mit Wahrscheinlichkeit” angenommen werden, daß die Unterschrift nicht aus der Hand der Erblasserin stamme. Zudem hat der Beteiligte zu 1) sich erst mit seinem Erbscheinsantrag vom 21. September 1995 auf das gemeinschaftliche Testament vom 18. September 1971 berufen. Hingegen hatte er zuvor am 9. März 1981 vor dem Nachlaßgericht ausdrücklich erklärt, neben dem Erbvertrag vom 22. Juni 1970 seien keine weiteren Verfügungen von Todes wegen vorhanden.
Allein im Hinblick auf diese Zweifel konnte das Landgericht aber nicht davon absehen, die Tochter des Beteiligten zu 1) … zu dem in ihr Wissen gestellten Vorbringen zu hören. Denn die Zurückweisung von Beweismitteln darf nicht zu einer unzulässigen Vorwegnahme der Beweiswürdigung führen (Keidel/Kuntze/Winkler aaO § 12 Rdn. 91 m.w.N.). Die Durchführung von Ermittlungen über entscheidungserhebliche Tatsachen darf nur dann unterbleiben, wenn jede Möglichkeit ausscheidet, daß eine Beweisaufnahme Sachdienliches ergibt (Keidel/Kuntze/Winkler aaO § 12 Rdn. 87; Jansen aaO § 12 Rdn. 74, jeweils m.w.N.). Davon kann hier aber nicht ohne weiteres ausgegangen werden.
Entgegen der Ansicht des Landgerichts stehen der Anhörung der Tochter des Beteiligten zu 1) keine ...