Leitsatz (amtlich)
1. Der Hinweis eines Beteiligten, er sei als Halbbruder des Erblassers gesetzlicher Erbe zweiter Ordnung, genügt dann nicht für die Annahme eines berechtigten Interesses an der Einsicht in die Nachlassakten, wenn der Beteiligte durch das Testament des Erblassers nicht von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen worden ist.
2. Eine im Beschwerderechtszug unzulässige Änderung des Verfahrensgegenstandes liegt nur dann vor, wenn eine andere Angelegenheit zum Gegenstand des Beschwerdeverfahrens gemacht wird.
Normenkette
FGG §§ 23, 34
Verfahrensgang
LG Koblenz (Aktenzeichen 2 T 595/02) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Gegenstandswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 250Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Erblasser verstarb am … in … . Er hinterließ seine Ehefrau und sieben Kinder. Mit seiner Ehefrau hatte er am 29.4.1993 ein gemeinschaftliches Testament errichtet.
Der Beteiligte – ein Halbbruder des Erblassers – hat am 22./24.7.2002 bei dem AG Koblenz „die Erteilung je einer beglaubigten vollständigen und ungekürzten Abschrift (Kopie) sämtlicher letztwilligen Verfügungen des Erblassers, auch der etwa widerrufenen, gem. § 2264 BGB sowie der Eröffnungsniederschrift des Nachlassgerichts gem. § 34 Abs. 1 FGG” beantragt. Zur Begründung hat er auf seine Eigenschaft als gesetzlicher Erbe zweiter Ordnung verwiesen (§ 1925 BGB).
Mit Verfügung vom 29.7.2002 hat die Rechtspflegerin bei dem AG Koblenz diesen Antrag zurückgewiesen. Hiergegen hat der Beteiligte Beschwerde eingelegt; er hat seinen Antrag dahin „modifiziert …, den gesamten Nachlassakt H.L. zur Einsichtnahme gem. § 34 FGG an das Nachlassgericht (Notariat IV) in …, … zu senden.” Das LG Koblenz hat das Rechtsmittel mit Beschluss vom 11.9.2002 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten.
II. 1. Das Rechtsmittel des Beteiligten ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (§§ 27 Abs. 1, 29 Abs. 1 FGG). Gegen die Verweigerung von Akteneinsicht in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind die Beschwerde und ggf. die weitere Beschwerde eröffnet, da es sich nicht um Justizverwaltungsakte, sondern um gerichtliche Verfügungen handelt (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 2.11.1994 – 3 W 175/94). Die Befugnis des Beteiligten zur Einlegung der Rechtsbeschwerde folgt bereits daraus, dass das LG seine Erstbeschwerde zurückgewiesen hat (§§ 20 Abs. 1, 29 Abs. 4 FGG).
2. In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg, weil die angefochtene Entscheidung nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).
a) Das LG hat die Erstbeschwerde – was vom Senat von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. Keidel/Kahl, FG 14.Aufl., § 27 Rz. 15) – zu Recht als zulässig angesehen. Zwar sind in der Beschwerdeinstanz neue Anträge, die den Verfahrensgegenstand verändern, grundsätzlich ausgeschlossen (BayObLG BayObLGZ 1961, 289 [291]; v. 11.7.1997 – 3Z BR 193,96, 1997, 213 [214]; OLG Hamm OLGZ 1968, 332 [333]). Eine im Beschwerderechtszug unzulässige Änderung des Verfahrensgegenstandes liegt aber erst dann vor, wenn eine andere Angelegenheit zum Gegenstand des Beschwerdeverfahrens gemacht wird, nämlich eine gerichtliche Handlung von anderer rechtlicher Bedeutung oder eine zwar gleichartige, aber sich auf einen anderen sachlichen Gegenstand beziehende Handlung (Jansen, FGG, 2.Aufl., § 23 Rz. 4; Keidel/Kahl, FG, 14.Aufl., § 23 Rz. 3, jew. m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall, da der erstinstanzliche Antrag, auch soweit er auf § 2264 BGB gestützt war, Bestandteile der Nachlassakten betraf. Zudem hat der Beteiligte den „modifizierten” Antrag bereits in seiner an das Nachlassgericht gerichteten Rechtsmittelschrift vom 13./15.8.2002 gestellt; hierüber hat das Nachlassgericht eine Entscheidung getroffen, indem es der Beschwerde (§§ 11 Abs. 1 RPflG, 19 Abs. 1 FGG) nicht abgeholfen hat (vgl. BayObLG v. 24.3.1994 – 1Z BR 113/93, BayObLGZ 1994, 73 [76]; v. 20.2.1990 – BReg.1a Z 38/88, FamRZ 1990, 649).
b) Das LG hat rechtsfehlerfrei ausgeführt, dass die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 S. 1 FGG nicht erfüllt sind. Nach dieser Vorschrift kann die Einsicht der Gerichtsakten jedem insoweit gestattet werden, als er ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht. Bei der Entscheidung gem. § 34 FGG handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die im Rechtsbeschwerdeverfahren nur einer eingeschränkten Überprüfung unterliegt. Die weitere Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass das LG die rechtlichen Begriffe des berechtigten Interesses oder der Glaubhaftmachung oder die dem richterlichen Ermessen gesetzten Schranken verkannt hat (vgl. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 2.11.1994 – 3 W 175/94). Fehler dieser Art sind im gegebenen Fall weder dargetan noch sonst ersichtlich; das LG hat ein berechtigtes Interesse des Beteiligten an einer Einsicht in die Nachlassakten mit Recht verneint:
Ein solches Interesse kann nicht bei jedem Verwandten des Erblassers ohne weiteres bejaht werden. Es ist vielmehr ...