Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung einer Baugenehmigung durch eine Nachbargemeinde (Stadt). Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes
Verfahrensgang
VG Potsdam (Beschluss vom 24.06.1997; Aktenzeichen 4 L 497/97) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 24. Juni 1997 geändert.
Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die der Beigeladenen zu 1. erteilte Baugenehmigung des Antragsgegners vom 2. April 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Juli 1997 wird angeordnet.
Der Antragsgegner und die Beigeladenen zu 1. und 3. – diese als Gesamtschuldner – tragen die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge mit Ausnahme ihrer eigenen außergerichtlichen Kosten, die sie selbst tragen, sowie mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2., die diese selbst trägt, je zur Hälfte.
Der Wert des Streitgegenstandes wird unter Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts für beide Rechtszüge auf jeweils 40.000,00 DM festgesetzt.
Gründe
Die nach Zulassung durch den Senat (Beschluß vom 10. November 1997) statthafte und auch im übrigen zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet.
Deren dem Sachausspruch entsprechender Antrag ist gemäß §§ 80 a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO im Hinblick auf den gesetzlichen Ausschluß der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs gegen die angegriffene Baugenehmigung (Nr. 3 des Gesetzes zur Beschränkung von Rechtsmitteln in der Verwaltungsgerichtsbarkeit in der seinerzeit geltenden Fassung vom 22. April 1993 – BGBl. I S. 466 –, vgl. jetzt Nr. 1 desselben Gesetzes in der Fassung der Bekanntmachung des Art. 2 VwGOÄndG vom 1. November 1996 [BGBl. I S. 1626] sowie § 212 a Abs. 1 BauGB) und die nicht zweifelhafte Antragsbefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO analog) der Antragstellerin, die geltend macht, die angegriffene Baugenehmigung verletze das auch zu ihren Gunsten bestehende interkommunale Abstimmungsgebot (§ 2 Abs. 2 BauGB), zulässig.
Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg.
Das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage überwiegt das Interesse des Antragsgegners sowie dasjenige der Beigeladenen, insbesondere sogar dasjenige des Beigeladenen zu 1., von der Baugenehmigung (weiterhin) bis zu einer gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache Gebrauch machen zu dürfen. Auch im Falle der gesetzlich vorgesehenen sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts überwiegt das Aussetzungsinteresse eines den Verwaltungsakt anfechtenden Dritten regelmäßig dann das Interesse sonstiger Beteiligter, insbesondere dasjenige des durch den Verwaltungsakt Begünstigten an der sofortigen Vollziehung, wenn nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung vieles dafür spricht, daß der Rechtsbehelf des Dritten Erfolg haben wird. So verhält es sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bezüglich des Rechtsbehelfs der Antragstellerin.
Es spricht nämlich vieles dafür, daß die Klage Erfolg haben wird, weil die angegriffene Baugenehmigung rechtswidrig ist (I.) und die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt, dieser also ein Abwehranspruch gegenüber dem genehmigten Vorhaben zusteht (II.).
I. Zunächst spricht sehr viel dafür, daß das genehmigte Vorhaben, das im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans (§ 30 Abs. 1 BauGB) errichtet und genutzt werden soll, keine Grundlage in den Festsetzungen des Bebauungsplans findet, weil der Plan zumindest insoweit, als er das genehmigte Vorhaben überhaupt auf eine planungsrechtliche Grundlage stellen könnte – nämlich durch die Festsetzung eines Gewerbegebiets gemäß § 8 BauNVO (Planteil B I.1.1) –, nicht wirksam (1.) und das genehmigte Vorhaben auch nicht nach § 34 oder § 35 BauGB planungsrechtlich zulässig (2.), die angefochtene Baugenehmigung somit rechtswidrig ist.
1. Die Unwirksamkeit des dem genehmigten Vorhaben zugrundeliegenden Bebauungsplans der Beigeladenen zu 2. dürfte sich bereits daraus ergeben, daß die Antragstellerin nicht an der Bauleitplanung der Beigeladenen zu 2. beteiligt wurde, obgleich ihre Beteiligung als Nachbargemeinde geboten war (§ 4 Abs. 1 Satz 1 BauGB in der hier maßgeblichen, bis zum 31. Dezember 1997 geltenden Fassung – a. F. –), und dieser Verstoß zugleich einen beachtlichen Abwägungsfehler (§ 214 Abs. 1 Nr. 1 BauGB) zur Folge gehabt haben dürfte.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BauGB a. F. sollen bei der Aufstellung von Bauleitplänen die Behörden und Stellen, die Träger öffentlicher Belange sind und von der Planung berührt werden können, möglichst frühzeitig beteiligt werden. Der Begriff der Träger öffentlicher Belange ist weiter als der der öffentlichen Planungsträger i. S. d. § 7 BauGB; hierzu zählen auch die Nachbargemeinden, mit denen gemäß § 2 Abs. 2 BauGB die Bauleitplanung abzustimmen ist (vgl. z. B. Gaentzsch in: Schlichter/Stich, Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch, 2. Auflage 1995, § 4 Rdn. 3). Danach hätte die Antragstellerin als Nachbargemeinde bei der Aufstellung des in ...