Leitsatz (amtlich)
Weder § 69 noch § 61 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW oder eine sonstige Vorschrift der nordrhein-westfälischen Bauordnung bieten eine Ermächtigung, dem Bauherrn bei formell baurechtswidrig durchgeführten Bauvorhaben aufzugeben, für das Vorhaben einen Bauantrag zu stellen, um auf diese Weise ein förmliches Bauantragsverfahren zu erzwingen, oder Erklärungen abzugeben, die einem Bauantrag gleichkämen. Wird die Handlung nicht beantragt, kann die Behörde lediglich über die allgemeine Ermächtigungsnorm, im Baurecht über § 61 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW, insoweit Bauvorlagen für ein formell illegal erstelltes Vorhaben anfordern, als dies zur Beurteilung einer konkret zu prüfenden Gefährdungssituation notwendig ist, die – über die Stilllegung oder Nutzungsuntersagung hinaus – ein Einschreiten erfordern könnte.
Normenkette
BauO NRW § 61 Abs. 1 S. 2, § 69; OBG NRW § 20 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
VG Düsseldorf (Aktenzeichen 4 L 1563/02) |
Gründe
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Bei der nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Regelungen der Ordnungsverfügung das Interesse des Antragstellers, von deren Vollziehung vorerst verschont zu bleiben. Aus den in der Beschwerdeschrift dargelegten Gründen, die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, ergibt sich nicht, dass die angefochtenen Regelungen der Ordnungsverfügung entgegen der erstinstanzlichen Entscheidung rechtswidrig sind.
Die Anordnung, die in der Grenzwand zum östlichen und nördlichen Nachbarn vorhandenen Fensteröffnungen in der Feuerwiderstandsklasse F 90 mit nicht brennbaren Baustoffen zu schließen, stützt sich nach der zutreffenden Auffassung des VG auf § 61 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 31 Abs. 4 BauO NRW. Dies gilt entgegen dem Vorbringen in der Beschwerdebegründung auch dann, wenn die Fensteröffnungen bereits mindestens seit 1950 und damit schon vor Inkrafttreten des § 31 Abs. 4 BauO NRW vorhanden gewesen sein sollten. Insoweit braucht auch nicht entschieden zu werden, welche Brandschutzanforderungen nach den baurechtlichen Vorschriften bestanden, die bei Herstellung der in Rede stehenden Fensteröffnungen galten. Denn auch wenn man unterstellen wollte, die Fenster hätten ursprünglich den bauordnungsrechtlichen Vorschriften entsprochen, könnte sich der Antragsteller auf Bestandsschutz, bei dessen Vorliegen eine Anpassung vorhandener baulicher Anlagen an die Anforderungen der Bauordnung NRW nur unter den Voraussetzungen des § 87 Abs. 1 BauO NRW verlangt werden könnte, nicht berufen. Abgesehen davon, dass er schon nicht dargelegt hat, dass das in Rede stehende Gebäude – mit den beanstandeten Fensteröffnungen – formell oder wenigstens für einen namhaften Zeitpunkt materiell rechtmäßig gewesen ist,
vgl. dazu: Boeddinghaus/Hahn/Schulte, BauO NRW – Loseblatt-Kommentar, § 87 Rn. 2,
wäre ein vorher etwa gegebener Bestandsschutz jedenfalls durch den nicht genehmigten Neueinbau der Stahlbetondecke über dem Erdgeschoss des östlichen Gebäudetraktes erloschen. Bestandsschutz setzt die Identität des errichteten Gebäudes mit dem ursprünglichen voraus.
Vgl. Boeddinghaus/Hahn/Schulte, a.a.O., § 63 Rn. 79.
Die Identität fehlt, wenn sich in Bezug auf baurechtlich relevante Kriterien beide Vorhaben baurechtlich unterscheiden, und zwar unabhängig davon, ob die Zulässigkeit des abgewandelten Bauobjektes als solche anders zu beurteilen ist. Eine unterschiedliche baurechtliche Beurteilung beider Vorhaben ist dann möglich, wenn sich die Frage der Genehmigungsfähigkeit des veränderten Vorhabens wegen im Verhältnis zum bestandsgeschützten Vorhaben geänderter tatsächlicher oder rechtlicher Voraussetzungen neu stellt, d.h. diese geänderten Voraussetzungen eine erneute Überprüfung der materiellen Zulässigkeitskriterien erfordern. Ein aliud liegt in der Regel vor, wenn konstruktive Teile geändert werden, insbesondere bei Änderung solcher Bauteile, die für die Standsicherheit von Bedeutung sind.
Vgl. Boeddinghaus/Hahn/Schulte, a.a.O., § 75 Rn. 26 f.
Danach ist das Gebäude nach dem ungenehmigten Einbau der Stahlbetondecke über dem Erdgeschoss ein „aliud” gegenüber dem zuvor vorhandenen Gebäude. Die Änderung der Deckenkonstruktion wirkt sich auf die Standsicherheit des Gebäudes aus und erfordert in bauordnungsrechtlicher Hinsicht eine erneute Überprüfung der Statik. Infolgedessen ist ein etwa zuvor gegebener Bestandsschutz jedenfalls erloschen.
Hiervon ausgehend durfte der Antragsgegner mit der Regelung zu 3. der Ordnungsverfügung auch das Verbot der Nutzung von Teilen des Gebäudes anordnen und damit auch ein Vermietungsverbot verbinden.
Vgl. Boeddinghaus/Hahn/Schulte, a.a.O., § 61 Rn. 79a.
Nach ständiger Rechtsprechung der Bausenate des beschließenden Gerichts ist eine – für sofort vollziehbar erklärte – Nutzungsuntersagung nur dann unverhältnismäßig, wenn die beanstandete Nutzung in dem Sinne offensichtlich genehmigungsfähig ist, dass der erforderliche Bauantrag gestellt ist...