LfSt Bayern v. 8.6.2016, S 3806.1.1 - 1/9 St 34
In notariellen Übergabeverträgen und Schenkungsverträgen werden – vor allem bei Grundstücksübertragungen – vielfach Pflegeverpflichtungen im Bedarfsfall vereinbart. Hierbei sind folgende oder ähnliche Formulierungen gebräuchlich:
„Der Erwerber verpflichtet sich hiermit, den Berechtigten bis an sein Lebensende unentgeltlich im Bedürfnisfall zu pflegen und ihm hierbei alle Leistungen zu erbringen, die einer geordneten und standesgemäßen Pflege entsprechen. Diese Leistungen sollen jedoch nur erbracht werden, soweit sie in dem übertragenen Hausanwesen erfüllt werden können. Sofern die Pflege außer Haus erforderlich sein sollte, ruht die Leistungspflicht des Erwerbers. Es ist insoweit keine Ersatzleistung geschuldet. Kosten hat der Erwerber nur insoweit zu tragen, als solche entstehen, wenn er sich zur Erfüllung dieser Verpflichtung dritter Personen bedient.
Zur Sicherung der vorstehenden Verpflichtung bestellt der Erwerber dem Berechtigten an dem Vertragsanwesen eine Reallast.”
Die Pflegeleistung im Bedarfsfall stellt schenkungsteuerlich eine auf den Eintritt des Pflegefalles aufschiebend bedingte Gegenleistung für die Grundstücksübertragung dar.
Hinsichtlich der Definition von Pflegeleistungen sowie der Berücksichtigung von Pflegeleistungen dem Grunde sowie der Höhe nach wird auf den gleich lautenden Erlass vom 4.6.2014 (BStBl 2014 I S. 891) Karte 4 zu § 7 ErbSt-Kartei verwiesen.
Beispiel:
Der am 5.5.1924 geborene A überträgt am 1.10.2006 ein Grundstück an B, der sich verpflichtet, A im Bedarfsfall zu pflegen. Zum Zeitpunkt der Ausführung der Grundstücksübertragung bleibt die Pflegeverpflichtung außer Ansatz. Der Pflegefall tritt am 25.6.2015 ein. Die Pflegeleistung nimmt täglich 2 Stunden in Anspruch.
Der Kapitalwert der Pflegeverpflichtung ist zum Zeitpunkt des Eintritts des Pflegefalles zu ermitteln. Die Berechnung erfolgt nach § 14 Abs. 1 BewG i.V.m. Anhang B11 des ErbSt-Handbuchs.
Jahreswert: |
2 Std. × 11 EUR × 365 Tage = |
8.030 EUR |
Kapitalwert: |
8.030 EUR × Vervielfältiger (91 Jahre) 3,242 |
26.033 EUR |
Der errechnete Kapitalwert von 26.033 EUR ist auf den Zeitpunkt der Schenkung (1.10.2006) abzuzinsen.
Kapitalwert × Vervielfältiger lt. Tabelle 1 zu § 12 Abs. 3 BewG
(Anhang B10 des ErbSt-Handbuchs)
(Laufzeit 8 Jahre und 268 Tage =0,627)
26.033 EUR * 0,627= 16.323 EUR
Im Rahmen der Wertermittlung für die gemischte Schenkung wird die Gegenleistung des Erwerbers mit 16.323 EUR berücksichtigt.
Die Grundsätze für die Ermittlung des Kapitalwertes der Pflegeleistung gelten entsprechend für den Ansatz und die Bewertung von Nachlassverbindlichkeiten aus Pflegeleistungen nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG und die Inanspruchnahme des Freibetrages nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG.
Die Schenkungsteuer wird im Rahmen der Erstbearbeitung endgültig festgesetzt. Der Steuerpflichtige ist im Steuerbescheid auf den Antrag zur Änderung der Festsetzung bei Eintritt des Pflegefalles hinzuweisen.
Die im Rahmen einer Grundstücksübertragung als Gegenleistung zu erbringende Pflegeleistung unterliegt der Grunderwerbsteuer. Stellt der Steuerpflichtige einen Antrag auf Änderung des Schenkungsteuerbescheides, hat die Schenkungsteuerstelle den Eintritt des Pflegefalles und den von ihr angesetzten Jahreswert der Leistung der zuständigen Grunderwerbsteuerstelle mitzuteilen. Von einer Anzeige kann aufgrund der Steuerbefreiung bei der Grunderwerbsteuer abgesehen werden, wenn
- der Kapitalwert der Pflegeleistung 2.500 EUR nicht übersteigt (§ 3 Nr. 1 GrEStG)
- eine Grundstücksübertragung zwischen Ehegatten vorliegt (§ 3 Nr. 4 GrEStG) oder
- es sich bei dem Erwerber um eine mit dem Schenker in gerader Linie verwandte Person, ein Stiefkind des Schenkers oder den Ehegatten eines Verwandten in gerader Linie oder des Stiefkindes des Schenkers handelt (§ 3 Nr. 6 GrEStG
Normenkette
ErbStG § 7
ErbStG § 10
ErbStG § 13 Abs. 1 Nr. 9;
BewG § 12 Abs. 3
BewG § 14 Abs. 1