Rn 11
Klagt der Kl in zwei selbstständigen Verfahren Teilbeträge derselben Forderung ein oder wollen mehrere Kl aus parallel gelagerten Sachverhalten gegen denselben Beklagten gleich gelagerte Ansprüche einfordern, so liegen die Voraussetzungen für eine Aussetzung nicht vor. Der Ausgang der parallel geführten Prozesse ist voneinander unabhängig. Dennoch wird das Gericht im Einzelfall darauf hinwirken, mit Zustimmung der Parteien den Weg des § 251 zu beschreiten (BGHZ 162, 376; MDR 19, 1011 m Anm Bacher MDR 19, 1367; St/J/Roth Rz 19). Eine Aussetzung in analoger Anwendung des § 148 ist zulässig, wenn zwischen denselben Prozessparteien ein Revisionsverfahren anhängig ist, in welchem Rechtsfragen zu beantworten sind, die sich als Vorfragen im auszusetzenden Rechtsstreit stellen (KGR 09, 957; vgl Braunschw Beschl v 5.7.2022 – 4 EK 1/21: eine Aussetzung kommt zur Vermeidung einer ›Zementierung‹ einer obergerichtlichen Rspr in Betracht, wenn in einem bereits anhängigen Revisionsverfahren desselben Klägers Rechtsfragen zu klären sind, die sich auch im auszusetzenden Verfahren entscheidungserheblich stellen). Darüber hinaus kommt eine Aussetzung mit Blick auf ein anhängiges Revisionsverfahren dann in Betracht, wenn die Zahl der betroffenen Parallelverfahren so groß ist, dass eine angemessene Bewältigung aller Verfahren nicht möglich ist (BGH MDR 12, 539: allerdings stellt der BGH hohe Anforderungen an den Nachweis der Überlastung). Die Rechtsentwicklung ist im Fluss. De lege lata ist eine Aussetzung unter Verweis auf verfahrensökonomische Gründe nicht bereits dann zulässig, wenn eine entscheidungserhebliche Sach- und Rechtsfrage Gegenstand eines in der höheren Instanz anhängigen Verfahrens ist (so KG MDR 23, 935; aA BGH CuR 23, 63). Unabhängig von den Voraussetzungen des § 148 begegnet es keinen Bedenken, wenn das Gericht in Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse aus einer Klageserie Muster- oder Pilotverfahren insb zur Klärung verfahrensübergreifender Rechtsfragen vorrangig betreibt und ähnlich gelagerte Verfahren einstweilen zurückstellt (BGHZ 236, 246 Rz 24 ff). Das KapMuG ordnet in seinem Anwendungsbereich nach der Bekanntmachung des Musterverfahrens die Aussetzung aller bereits anhängigen oder bis zum Erlass des Musterbescheids noch anhängig werdenden Verfahren an (dort § 8 I). Im Anwendungsbereich des KapMuG scheidet eine analoge Anwendung von § 148 aus (BGH MDR 14, 740 [BGH 08.04.2014 - XI ZB 40/11]). Demgegenüber sieht das VDuG weitergehende Aussetzungsmöglichkeiten vor: Hat ein klagender Verbraucher vor der Bekanntmachung der Verbandsklage im Verbandsklageregister eine Klage erhoben, die die Rechtsverhältnisse oder die Feststellungsziele und den Lebenssachverhalt der Verbandsklage betrifft, setzt das Gericht das Verfahren nach der Anmeldung der Ansprüche zum Verbandsklageregister aus (§ 11 Abs 1 VDuG). Nach Abs 2 kann (nur) der Kläger, der mangels Verbrauchereigenschaft seine Ansprüche im Wege der Verbandsklage nicht geltend machen kann, auf eigenen Antrag eine in das Ermessen des Gerichts gestellte Aussetzung herbeiführen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Rechtsfragen abhängt, die Gegenstand einer Verbandsklage sind. Durch diese Regelung sollen auch Unternehmer vom Ausgang eines Musterfeststellungsverfahrens profitieren (so zur Vorgängerregelung: BTDrs 19/2741, 24). Es erscheint sachgerecht, die Aussetzung auch auf Antrag des Beklagten zur ermöglichen. Denn es sind Konstellationen denkbar, in denen ein zwischen Unternehmen geführter Rechtsstreit von Feststellungszielen eines Musterfeststellungsverfahrens abhängig ist.