Rn 12
Das Feststellungsinteresse ist Sachurteilsvoraussetzung und daher in jeder Lage des Verfahrens – auch in der Revisionsinstanz – vAw zu prüfen (BGH MDR 11, 1312 [BGH 07.04.2011 - I ZR 56/09]). Ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses besteht, wenn dem Recht oder der Rechtslage des Kl eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und wenn das angestrebte Urt geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (BGH NJW 10, 1877 [BGH 13.01.2010 - VIII ZR 351/08]), wenn der Streit insgesamt beseitigt und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann (BGH NJW-RR 22, 23 [BGH 05.10.2021 - VI ZR 136/20]), wenn die Durchführung des Feststellungsverfahrens unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führt (BGH NJW 23, 1567 [BGH 09.11.2022 - VIII ZR 272/20]) oder vom Bekl erwartet werden kann, dass er auf Feststellungsurt hin leisten wird (BGH NJW 99, 3774 [BGH 28.09.1999 - VI ZR 195/98]). Eine gegenwärtige Gefahr oder Rechtsunsicherheit droht dem Recht oder der Rechtslage des Kl ua dadurch, dass der Bekl das Recht ernstlich bestreitet (BGH NJW-RR 17, 1317) oder sich eines Rechts gegen den Kl berühmt (BGH NJW-RR 21, 1508). Ein allg Klärungsinteresse reicht nicht aus (BGHZ 194, 39). Kein Interesse an ›vorbeugender‹ (amtshaftungsrechtliche) Feststellung im Vorgriff auf Erlass eines Heranziehungsbescheids wegen Kosten zur Beseitigung von Umweltgefahren (BGHZ 203, 312). Ein Interesse kann schon vor einer Kündigungserklärung daran bestehen, die Kündigungsfolgen klären zu lassen (BGH NJW 10, 2793 [BGH 24.03.2010 - VIII ZR 304/08]), jedoch nicht die Wirksamkeit einer Kündigungserklärung eines Vertrags, da nur Vorfrage über Bestand des feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses (BGH NJW-RR 17, 1260 [BGH 01.08.2017 - XI ZR 469/16]; NJW 23, 3649 [BGH 25.07.2023 - XI ZR 221/22]). Aber Interesse an Feststellung, dass Sozietät aufgelöst ist und Kl am bis zur Auflösung der Sozietät erzielten Gewinn neben dem Bekl zu gleichen Teilen beteiligt ist (BGH NJW 19, 1002 [BGH 22.01.2019 - II ZR 59/18]). Der Rechtsanwalt, der vom Rechtsschutzversicherer seines Mandanten aus gem § 86 VVG übergegangenem Recht in Anspruch genommen wird, hat ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dem Versicherungsnehmer stehe kein Anspruch gegen ihn zu (BGH NJW-RR 22, 781 [BGH 27.04.2022 - IV ZR 344/20]). Einer auf Feststellung der Leistungspflicht gerichteten Klage des Versicherungsnehmers kann nicht die Möglichkeit einer Leistungsklage entgegengehalten werden, wenn in den AGB die Durchführung eines Sachverständigenverfahrens zur Feststellung der Schadenshöhe vorgesehen ist. Es besteht keine Verpflichtung des Versicherungsnehmers, bereits iRd Rechtsstreits zu erklären, ob er die Durchführung des Sachverständigengutachtens beantragen werde (BGH NJW-RR 22, 682 [BGH 13.04.2022 - IV ZR 60/20]).
Rn 12a
Für das Interesse zur Feststellung der Ersatzpflicht eines künftigen Schadens reicht die Möglichkeit eines Schadenseintritts bei Verletzung eines absoluten Rechts aus (BGH NJW-RR 07, 601; NJW 01, 1431 und 3414), während bei reinen Vermögensschäden für den Schadenseintritt eine hinreichende Wahrscheinlichkeit erforderlich ist (BGHZ 166, 84; BGH NJW 22, 1093), ohne dass eine Verjährung zu drohen braucht (BGH MDR 14, 1341). Dazu muss nicht dargelegt werden, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Vermögensdifferenz besteht (BGH NJW-RR 18, 1301 [BGH 26.07.2018 - I ZR 274/16]). Ein Feststellungsinteresse ist nur zu verneinen, wenn aus der Sicht des Geschädigten bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit dem Eintritt eines Schadens wenigstens zu rechnen (BGH NJW 01, 1431 [BGH 16.01.2001 - VI ZR 381/99]) oder die Möglichkeit eines Schadenseintritts nur minimal über dem allg Lebensrisiko liegt (BGH NJW-RR 14, 840 [BGH 02.04.2014 - VIII ZR 19/13]). Bei Haftung wegen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Herbeiführung eines ungewollten Vertragsschlusses wird der in dem Vertragsschluss selbst liegende Schaden bereits von der Verurteilung zur Kaufpreiserstattung erfasst, sodass der pauschale Hinweis auf weitere Schäden im Hinblick auf die Weiternutzung des Vertragsgegenstandes (zB PKW) nicht genügt (BGH NJW 20, 2806 [BGH 30.07.2020 - VI ZR 397/19]). Erfasst sind die Schäden ab Klageeinreichung (BGH NJW 00, 3287 [BGH 06.06.2000 - VI ZR 172/99]). Künftiger Rabattverlust durch Rückstufung in der Fahrzeug-Vollkaskoversicherung (BGH NJW 92, 1035 [BGH 03.12.1991 - VI ZR 140/91]). Feststellung der Ersatzpflicht künftiger immaterieller Schäden, außer wenn ausschl voraussehbare Schädigungsfolgen in Betracht kommen, die von der Zubilligung des Schmerzensgelds umfasst wären (Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgelds BGH NJW-RR 06, 712). Freistellung von Unterhaltsansprüchen unerwünschter Kinder nach misslungener Sterilisation (BGH VersR 82, 68). Ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis liegt ...