Gesetzestext
(1) Jede Partei hat in der mündlichen Verhandlung ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel, insbesondere Behauptungen, Bestreiten, Einwendungen, Einreden, Beweismittel und Beweiseinreden, so zeitig vorzubringen, wie es nach der Prozesslage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung entspricht.
(2) Anträge sowie Angriffs- und Verteidigungsmittel, auf die der Gegner voraussichtlich ohne vorhergehende Erkundigung keine Erklärung abgeben kann, sind vor der mündlichen Verhandlung durch vorbereitenden Schriftsatz so zeitig mitzuteilen, dass der Gegner die erforderliche Erkundigung noch einzuziehen vermag.
(3) 1Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, hat der Beklagte gleichzeitig und vor seiner Verhandlung zur Hauptsache vorzubringen. 2Ist ihm vor der mündlichen Verhandlung eine Frist zur Klageerwiderung gesetzt, so hat er die Rügen schon innerhalb der Frist geltend zu machen.
A. Normzweck.
Rn 1
§ 138 regelt den Inhalt des Sachvortrags, während § 282 den Zeitpunkt bestimmt, bis wann ohne prozessuale Nachteile noch vorgetragen werden kann. In Ergänzung zur Konzentrations- und Beschleunigungspflicht des Gerichts (§§ 272, 273) verpflichtet diese Vorschrift die Parteien zur zügigen und konzentrierten Prozessführung. Andererseits ist das verfassungsmäßige Verbot einer ›Überbeschleunigung‹ und des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 I GG) zu beachten, zB wenn in Arzthaftungssachen das als verspätet zurückgewiesene Verteidigungsvorbringen ein Sachverständigengutachten veranlasst hätte, dieses Sachverständigengutachten aber in der Zeit zwischen dem Ende der Frist und der darauf folgenden mündlichen Verhandlung ohnehin nicht hätte eingeholt werden können (BGH NJW 12, 2808 [BGH 03.07.2012 - VI ZR 120/11]).
B. TB-Voraussetzungen.
Rn 2
Abs 1 betrifft das rechtzeitige Vorbringen von Angriffs- und Verteidigungsmittel in der mündlichen Verhandlung, während sich Abs 2 auf die rechtzeitige Mitteilung vor der mündlichen Verhandlung bezieht (LArbG BW 12.7.23 10 Sa 78/22 juris). Obwohl es sich bei Zulässigkeitsrügen begrifflich um Verteidigungsmittel handelt, gilt für diese allein die Sonderregelung in Abs 3 (BGH NJW-RR 06, 496 [BGH 21.12.2005 - III ZR 451/04]).
I. Angriffs- und Verteidigungsmittel.
Rn 3
Dazu gehört jedes Vorbringen, das dazu dient, den geltend gemachten prozessualen Anspruch durchzusetzen oder abzuwehren, wie Behauptungen, Bestreiten, Einwendungen, Einreden, Beweisanträge, Aufrechnung (BGHZ 91, 293) etc.
Rn 4
Nicht: Rechtsausführungen, Klage, Anspruchsbegründung (§ 697 I), Klageänderung, Klageerweiterung, Sachanträge, Anschlussberufungsantrag; Aufrechnungserklärung, aber das zur Rechtfertigung der Gegenforderung Vorgebrachte (ArbG Erfurt 7.6.23 – 4 Ca 1892/22 juris); sie sind bis zum Schluss der Verhandlung zulässig, Rechtsausführungen jederzeit, auch Schaffung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Anspruch erst im Laufe des Verfahrens (BGH NJW-RR 04, 167 [BGH 09.10.2003 - VII ZR 335/02]: Vorlage neuer Schlussrechnung).
II. Rechtzeitiges Vorbringen (Abs 1).
Rn 5
In der Verhandlung haben die Parteien ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel so zeitig vorzubringen, wie es nach der Prozesslage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung entspricht. Danach soll Vorbringen aus prozesstaktischen Erwägungen nicht zurückgehalten werden, eine Partei aber nicht verpflichtet sein tatsächliche Umstände erst zu ermitteln (BGH NJW 03, 200) oder sich medizinisches Fachwissen anzueignen (BGHZ 159, 245). Eine Partei ist nicht gehindert, im Laufe des Prozesses ihr Vorbringen zu ändern, selbst in Widerspruch zum früheren Vortrag (BGH NJW-RR 00, 208 [BGH 01.07.1999 - VII ZR 202/98]).
Rn 6
Das Vorbringen ist rechtzeitig, wenn es nach der Prozesslage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung entspricht. Dem entspricht das Vorbringen im ersten Termin immer, da der erste Gerichtstermin der frühestmögliche Zeitpunkt ist; Verspätung nur, wenn innerhalb der Instanz mehrere Verhandlungstermine stattgefunden haben und das Vorbringen bereits im ersten Termin erfolgt ist (BGH NJW-RR 05, 1007 [BGH 04.05.2005 - XII ZR 23/03]). Deshalb kann Vorbringen im ersten Termin niemals nach Abs 1 verspätet sein (BGH 3.5.18 III ZR 429/16 juris). Eine Verpflichtung, unbekannte Umstände zu ermitteln, besteht nur, wenn für deren Vorliegen konkrete Anhaltspunkte bestehen (Ddorf NZKart 15, 323). Einer medizinisch nicht sachkundigen Partei ist regelmäßig Gelegenheit zu geben, auch nach dem Vorliegen eines gerichtlichen Gutachtens mit Hilfe eines weiteren Mediziners zu schwierigen medizinischen Fragen noch einmal Stellung zu nehmen (BGH NJW 88, 2302 [BGH 31.05.1988 - VI ZR 261/87]).
Rn 6a
Eine Berufung kann auch auf ausschließlich neues Vorbringen gestützt werden (BGH NJW-RR 07, 934 [BGH 27.03.2007 - VIII ZB 123/06]); dann muss die Berufungsbegr nach § 520 III S 2 Nr 4 aber diejenigen Tatsachen bezeichnen, aufgrund derer das neue Angriffsmittel unter den engen Voraussetzungen des § 531 II zuzulassen ist (BGH NJW-RR 15, 465 [BGH 09.10.2014 - V ZB 225/12]).
III. Rechtzeitiger Schriftsatz (Abs 2).
Rn 7
Angr...