Rn 5
Sobald die nach Abs 1 erforderliche Anzeige erfolgt ist, erlischt die Prozessvollmacht im Außenverhältnis ex nunc mit der Folge, dass der bisherige Prozessbevollmächtigte seine Stellung als Ansprechpartner für Gericht und Gegner vollständig verliert (BGH NJW 91, 295, 296 [BGH 17.10.1990 - XII ZB 105/90]). Im Anwaltsprozess tritt diese Rechtsfolge nur dann ein, wenn zur Anzeige noch die Bestellung eines neuen Anwalts hinzutritt oder die nach § 78 IV postulationsfähige Partei mitteilt, sich selbst zu vertreten. Bis dahin gilt im Außenverhältnis die Vollmacht als fortbestehend (BGH NJW 80, 999). Gericht und Gegner können deshalb wirksam ggü dem bisherigen Prozessbevollmächtigten handeln. Zustellungen und Ladungen sind an ihn zu bewirken (BGH VersR 85, 1185, 1186; NJW 07, 2124, 2125; 08, 234; Beschl v 25.1.11 – VIII ZR 27/10 Rz 5), auch wenn sich im Rechtsmittelverfahren bereits ein neuer Anwalt bestellt hat, denn Zustellungen im Zusammenhang mit den einen Rechtszug abschließenden Entscheidungen sind an den Anwalt zuzustellen, der für diesen bestellt war (BGH NJW-RR 22, 709 [BGH 25.01.2022 - VIII ZR 233/20] Rz 24; NJW-RR 20,1197 [OLG Saarbrücken 30.04.2020 - 4 W 9/20] Rz 11). Der Anwalt hat die Zustellung entgegenzunehmen und die Partei zu unterrichten (BGH NJW 80, 999 [BGH 14.12.1979 - V ZR 146/78]). Im Parteiprozess können trotz des Erlöschens der Prozessvollmacht bereits mit der Anzeige noch Zustellungen an den empfangsbereiten Anwalt vorgenommen werden (BGH NJW-RR 23, 701 [BGH 08.11.2022 - VIII ZB 21/22] Rz 17). Auch rechtliche Hinweise sind ihm ggü zu erteilen (BGH NJW-RR 08, 78). Schließlich ist ihm die das Verfahren abschließende Entscheidung zuzustellen (BGH NJW 75, 120, 121). Eine Wiederholung der Zustellungen nach dem Wirksamwerden des Erlöschens nach Abs 1 ist nicht erforderlich (Zö/Althammer § 87 Rz 4; Musielak/Voit/Weth § 87 Rz 6; zu einem Ausnahmefall BVerfG Rpfleger 83, 116). Eine Zustellung kann allerdings an der Verweigerung der Mitwirkung nach § 174 scheitern (Ddorf OLGR 01, 280), denn ungeachtet Fortgeltung nach § 87 I ist für eine wirksame Zustellung zusätzlich die Empfangsbereitschaft des Anwalts notwendig (Bremen Beschl v 13.6.23 – 2 W 23/23 Rz 13, 18). Der bisherige Prozessbevollmächtigte kann iRd erteilten und fortbestehenden Vollmacht auch für die Partei wirksam Prozesshandlungen vornehmen und darf deshalb Rechtsmittel einlegen oder zurücknehmen (BGH FamRZ 90, 388; BAG NJW 82, 2519, 2520). Eine Ausnahme soll nach Treu und Glauben dann gelten, wenn die Rechtsmittelrücknahme in Widerspruch zum wirklichen Willen der Partei steht und der Irrtum des Bevollmächtigten für Gericht und Gegner offensichtlich ist (BGH FamRZ 90, 388).
Ist die Partei durch mehrere Bevollmächtigte vertreten (§ 84), erlischt die Prozessvollmacht eines der Bevollmächtigten bereits mit dessen Anzeige, ohne dass es der Bestellung eines anderen Anwalts bedarf, weil, solange die Vollmacht der anderen besteht, die Vertretung durch die anderen Bevollmächtigten gewährleistet ist, der Normzweck die Fortgeltung der Vollmacht mithin nicht erfordert.
Rn 5a
Umstritten ist, ob diese Rechtsfolgen auch dann eintreten, wenn die Anzeige erfolgt, obwohl der Vollmachtvertrag nicht wirksam gekündigt wurde (dafür zB MüKoZPO/Toussaint § 87 Rz 9; dagegen zB Zö/Althammer § 87 Rz 1; Musielak/Voit/Weth § 87 Rz 4). Nach Sinn und Zweck der Regelung, Rechtsklarheit hinsichtlich der Fortführung des Prozesses zu schaffen, kommt es für die hier allein maßgebliche prozessrechtliche Lage lediglich auf die Anzeige des Erlöschens an, denn das mit der Norm verfolgte Ziel würde verfehlt, wenn das Gericht mit der Prüfung der materiellen Wirksamkeit einer Kündigung oder eines Widerrufs belastet wäre, die es mangels Kenntnis der dafür maßgeblichen Umstände ohnehin nicht vornehmen könnte (iE ebenso MüKoZPO/Toussaint § 87 Rz 9). Der Wortlaut der Norm steht dem ebenso wenig entgegen (aA Musielak/Voit/Weth § 87 Rz 4) wie der Schutz der Partei, denn diese weiß schon aufgrund ihrer Anzeige, dass sie ggf für eine anderweitige Vertretung sorgen muss. Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn sich bereits aus der Anzeige ergibt, dass eine wirksame Beendigung der Vollmacht nicht vorliegt, denn dann ist dem Gebot der Rechtsklarheit genügt, ohne dass es weiterer Ermittlungen durch das Gericht bedarf (vgl zu solchen Fällen BGH VersR 77, 334; BVerwG MDR 84, 170; NVwZ 85, 337). Im Anwaltsprozess stellt sich die Frage der Wirksamkeit der Kündigung des Vollmachtvertrags ohnehin nicht, weil die Vollmacht im Außenverhältnis in jedem Fall fortbesteht (KG NJW 72, 544 [KG Berlin 23.07.1971 - 1 W 1138/71]) und aufgrund der Notwendigkeit der Bestellung eines neuen Anwalts eine ordnungsgemäße Vertretung auch bei unwirksamer Kündigung in jedem Fall gewährleistet ist.
Rn 6
Obwohl im Parteiprozess der bisherige Prozessbevollmächtigte seine Stellung als Ansprechpartner für Gericht und Gegner schon aufgrund der Anzeige des Erlöschens die Vollmacht vollständig verliert, können, sofern der ...