Rn 9
Aussetzung und Ruhen treten nur kraft richterlicher Anordnung oder Zustellung eines entsprechenden Beschl ein, der vAw oder auf Antrag zwingend oder nach einer Ermessensausübung des Gerichtes ergeht (BGH NJW 20, 1973 Rz 23). Die Aussetzung ist nur zulässig, wenn das Gesetz sie vorsieht, wie zB in der ZPO in §§ 65, 148, 149, 152–154, 246, 247, 578 II, 613 II aF (Musterfeststellungsklage, jetzt abgelöst durch VDuG (vgl §§ 1 ff VDuG [S 3215]; Sonderdruck zu Anders/Gehle ZPO 82. Aufl; s.a. BGH NJW 20, 1973 = NZG 20, 834 [BGH 12.03.2020 - VII ZR 55/19]: letzte mündliche Verhandlung, auf die Urt ergeht, bildet keine Zäsur) sowie in den §§ 21, 136, 221 II, 381, 440 FamFG (vgl oben Rn 2), § 97 V ArbGG, § 94 VwGO, § 74 FGO, § 8 I KapMuG, Art 27 f EuGVVG. Zur Aussetzung im Patent- und Gebrauchsmusterrecht (§ 19 GebrMG) vgl Hoppe/Donle GRUR-RR 20, 465, 474. Eine Aussetzung nach § 148 ist nicht zulässig, wenn Teile einer einheitlichen Forderung in getrennten Verfahren geltend gemacht werden (BGH NJW-RR 19, 1212 [BGH 27.06.2019 - IX ZB 5/19]). Vorgreiflichkeit iSd § 148 ist zudem zu verneinen, wenn in dem anderen Rechtsstreit über eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, die für die Entscheidung im betreffenden Rechtsstreit von Bedeutung ist (BGH NJW-RR 23, 210 [BGH 22.09.2022 - V ZB 22/21] Rz 8). Zum Vorschlag der Justizministerkonferenz v 20.9.21, bei gleichgelagerten Klagen (Masseverfahren) eine Aussetzung durch Gesetz zu ermöglichen vgl: https://ordentliche-gerichtsbarkeit.hessen.de. Wir stimmen Heese/Schumann (NJW 21, 3023, 3029) zu, dass eine solche Aussetzung nur bei gleichzeitiger beabsichtigter Einführung des die Herbeiführung einer höchstrichterlichen Entscheidung beschleunigten Vorabentscheidungsverfahrens (Leitentscheidung) sinnvoll ist, weil ansonsten das Problem der überlangen Verfahrensdauer kaum lösbar wäre. Nach § 8 I KapMuG kommt eine Aussetzung nur in Betracht, wenn das Prozessgericht davon ausgeht, dass es für den Ausgang des Rechtsstreits auf die Festsetzungsziele ankommen kann (vgl näher § 252 Rn 1a). Ist die örtliche Zuständigkeit zB nach § 32b selbst Gegenstand eines Feststellungsziels, hat das Prozessgericht nur auf dieses Ziel auszusetzen; fehlt es an einer anderen Zulässigkeitsvoraussetzung, ist die Klage als unzulässig abzuweisen; ob die Aussetzung zu Recht erfolgt ist, spielt keine Rolle (BGH NJW 19, 3444 [BGH 30.04.2019 - XI ZB 13/18]; Braunschw BeckRS 20, 1924 und 25514; vgl auch § 252 Rn 1a). Im Falle der notwendigen Streitgenossenschaft wird das Verfahren wegen des Grundsatzes der einheitlichen Entscheidung gegenüber allen Streitgenossen ausgesetzt (LG München NJW-RR 13, 787 [LG München I 25.03.2013 - 1 S 18147/12 WEG]; vgl aber zu Patentnichtigkeitsstreitigkeiten: Rn 7).
Das Ruhen eines Verfahrens, eine besondere Form der Aussetzung, kann nach § 251, § 251a III, § 278 IV, § 278a II angeordnet werden.
Rn 10
Die Aussetzung wird beendet durch Aufhebung (§ 150) oder durch Aufnahme des Rechtsstreits (§ 250). § 250 gilt auch im Falle des Ruhens. Die Frage des Rechtsmittels im Falle der Aussetzung oder ihrer Ablehnung ist in § 252 geregelt. § 252 gilt auch für das Ruhen des Verfahrens als Sonderfall der Aussetzung (vgl § 252 Rn 1).
Rn 10a
Zur Vorlage, zB nach § 36 III, Art 100 GG, Art 267 AEUV, ist ein Gerichtsbeschluss erforderlich (§ 252 Rn 2). Sie führt nicht zu einem rechtlichen, sondern nur zu einem tatsächlichen Stillstand, wenn nicht zugleich ausgesetzt wird (ThoPu/Hüßtege Vor § 239 Rz 10). Der Vorlagebeschluss, der grds gleichzeitig als Aussetzungsbeschluss zu werten ist, ist unanfechtbar (Stuttg NJW-RR 21, 61 [OLG Stuttgart 21.10.2020 - 6 W 53/20]; NJOZ 23, 125).