Rn 1

Normzweck. § 1814 ersetzt § 1896 BGB. Als ›Fundamentalnorm‹ des Betreuungsrechts legt § 1814 die Voraussetzungen fest, bei deren Vorliegen der Staat verpflichtet ist, Erwachsenen, deren rechtliche Handlungsfähigkeit beeinträchtigt ist, durch die Bereitstellung des Rechtsinstituts der rechtlichen Betreuung, im gebotenen Umfang Schutz und Fürsorge zu gewähren. Zur besseren Verwirklichung des Erforderlichkeitgrundsatzes wird der bisherige § 1896 aF in zwei Vorschriften aufgeteilt. Während in § 1814 die allgemeinen Voraussetzungen der Betreuerbestellung genannt und die grundsätzliche Erforderlichkeit einer Betreuung in Abgrenzung zur Vorsorgevollmacht und anderen Hilfen bestimmt werden, wird der Umfang der Betreuung künftig in § 1815 geregelt (BTDrs 19/24445, 229 ff).

 

Rn 2

Bestimmend ist für das Betreuungsrecht der Grundsatz der Erforderlichkeit, dh, dass dem Betreuer, anders als bei der Vormundschaft, die sich grds auf die gesamte Personen- und Vermögenssorge richtet, nur Aufgaben in dem Umfang zugewiesen werden dürfen, in dem auch tatsächlich Hilfe erforderlich ist (§ 1814 III). Dies ist aufgrund der konkreten, gegenwärtigen Lebenssituation des Betreuten zu beurteilen (BGH FamRZ 11, 964; 17, 995), wobei es ausreicht, wenn der Handlungsbedarf in dem betreffenden Aufgabenkreis jederzeit auftreten kann (BGH FamRZ 18, 1602; 19, 638). Dies soll verhindern, dass dem Betreuer rein formularmäßig und ohne eingehende Prüfung verhältnismäßig umfangreiche Aufgaben zugewiesen werden (BGH FamRZ 18, 1186). Für die Anordnung der Betreuung ist nicht die Geschäftsunfähigkeit des Betroffenen Anknüpfungspunkt, sondern dass dieser krankheitsbedingt außer Stande ist, eigene Angelegenheiten ganz oder tw zu besorgen.

 

Rn 3

Mit der Reform des Betreuungsrechts soll auch das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen so weit wie möglich erhalten und gestärkt werden. An verschiedenen Stellen ist deswegen ausdrücklich bestimmt, dass der Betreuer auf die Wünsche des Betreuten Rücksicht zu nehmen hat (§§ 1816 II, 1821 I, 1868 III) und der Betreute seine Wünsche und Vorstellungen in Bezug auf den gewünschten Betreuer auch in einer sog Betreuungsverfügung vor Eintritt des Betreuungsfalls festlegen kann (§§ 1821 IV, 1827). Zusätzlich kann der Betroffene in Form einer Patientenverfügung vorab in die Einleitung bzw den Abbruch evtl in Zukunft notwendig werdender medizinischer Maßnahmen einwilligen oder seine Einwilligung definitiv verweigern. Nicht nur der behandelnde Arzt, sondern auch der Betreuer, ist grds an solche Erklärungen gebunden (vgl § 1827). Weil nicht erforderlich, ist eine Betreuung regelmäßig ausgeschlossen (LG Hamburg FamRZ 18, 773), wenn der Betroffene durch die Erteilung von Vollmachten (sog Vorsorgevollmachten, vgl § 1820) genügend Vorsorge für die Wahrnehmung seiner Angelegenheiten auch im Fall einer Betreuungsbedürftigkeit getroffen hat (§ 1814 III 2 Nr 1, evtl aber Kontrollbetreuung § 1815 III).

 

Rn 4

Die Position des Betreuten als Grundrechtsträger wird zusätzlich durch Genehmigungserfordernisse bei Eingriffen in die körperliche Integrität (§§ 1829, 1830, 1832), die Bewegungsfreiheit (§ 1831) und den Post- und Fernmeldeverkehr (§ 1815 II Nr 5 u Nr 6) weitergehend abgesichert.

 

Rn 5

Schließlich wird durch den Grundsatz der Einzelbetreuung (§ 1816 I), anders als im Vormundschaftsrecht, das persönliche Element im Betreuungsrecht stärker betont.

 

Rn 6

Internationalprivatrechtlich: s Vor §§ 1773 ff Rn 5.

 

Rn 7

Das Verfahren zur Bestellung eines Betreuers ist ein Einheitsverfahren, in dem zugleich über die Person des Betreuers entschieden wird.

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