Gesetzestext

 

1Das Recht zur Entziehung des Pflichtteils erlischt durch Verzeihung. 2Eine Verfügung, durch die der Erblasser die Entziehung angeordnet hat, wird durch die Verzeihung unwirksam.

A. Begriff der ›Verzeihung‹.

 

Rn 1

Er ist der gleiche wie in §§ 532 1, 2343 (Staud/Olshausen Rz 1). Verzeihung ist anzunehmen, wenn der Erblasser zeigte, er betrachte das Verletzende der Kränkung als nicht mehr existent (BGH NJW 84, 2089, 2090 [BGH 23.05.1984 - IVa ZR 229/82]; Stuttg MDR 19, 555 [OLG Brandenburg 31.01.2019 - 3 W 37/18] Rz 15; Köln ZEV 98, 144) und dass er nichts mehr daraus herleiten, sondern über sie hinweggehen will (BGH NJW 74, 1084 [BGH 01.03.1974 - IV ZR 58/72]). Versöhnung ist zur Verzeihung nicht notwendig (›vergeben, aber nicht vergessen‹), doch reicht Gleichgültigkeit des Gekränkten, ein bloßer Versöhnungsversuch oder In-Aussicht-Stellen nicht (BGH NJW 99, 1626 [BGH 19.01.1999 - X ZR 42/97]). Sie kann formlos, auch durch schlüssige Handlungen erfolgen (Köln aaO; Hamm NJW-RR 07, 1235, 1237 f [OLG Hamm 22.02.2007 - 10 U 111/06]: Kreditaufnahme für Pflichtteilsberechtigten; Nürnbg NJW-RR 12, 1225, 1226 [OLG Nürnberg 08.05.2012 - 12 U 2016/11]: Wiederaufleben normaler familiärer Beziehungen), setzt aber Kenntnis der konkreten Verfehlung voraus. Eine mutmaßliche Verzeihung genügt nicht (BGH NJW 15, 1382 [BGH 11.03.2015 - IV ZR 400/14] Rz 13). Die Verzeihung ist ein rein tatsächlicher Vorgang, keine rechtsgeschäftliche Erklärung: Der nicht voll geschäftsfähige Erblasser kann verzeihen, wenn er die Bedeutung der Verzeihung erkennt. Es gelten nicht die §§ 119 ff (MüKo/Lange Rz 4) und Stellvertretung ist grds nicht möglich. Die Verzeihung ist unwiderruflich, kann aber unter Bedingung erklärt werden. Zugang beim Pflichtteilsberechtigten ist nicht erforderlich.

B. Wirkung.

 

Rn 2

Die ausgesprochene Entziehung wird unwirksam (2). Auf den verziehenen Grund kann eine künftige Entziehung nicht mehr gestützt werden (1). IdR berührt die Verzeihung eine mit der Entziehung verbundene Enterbung nicht, es sei denn, es steht ein entspr Erblasserwille fest (§ 2085; s § 2336 Rn 1); ansonsten ist eine entspr Verfügung vTw erforderlich. Das gilt auch, wenn die Entziehungsgründe von Anfang an nicht gegeben waren (BayObLG DNotZ 96, 319, 322 [BayObLG 09.11.1995 - 1Z BR 31/95]). Verzeiht beim gemeinschaftlichen Testament, in dem die Ehegatten einem Kind den Pflichtteil entzogen haben, nur der überlebende Ehegatte, wirkt sich die Verzeihung zwar nur auf seinen Nachlass aus, zu dem aber bei der Einheitslösung die Vermögensgegenstände des vorverstorbenen Gatten gehören (Hamm MDR 97, 844 [OLG Hamm 22.04.1997 - 10 U 114/96]). Beweislast: § 2336 Rn 4.

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