Rn 20

Bei Körper- oder Gesundheitsschäden muss der Geschädigte sich sachgerecht um Heilung bemühen. Doch braucht er sich nicht mit einer Nachbehandlung gerade durch den ersatzpflichtigen Arzt zu begnügen (Köln VersR 87, 620). Ggf muss der Geschädigte sich einer Rehabilitation unterziehen (BGH VersR 70, 272). Dazu muss der Schädiger die nötigen Mittel vorschießen (BGH VersR 61, 1125). Eine Operation, deren Kosten der Schädiger gleichfalls vorzuschießen hat, muss der Geschädigte nur auf sich nehmen, wenn sie sichere Aussicht auf Erfolg oder wenigstens Besserung verspricht und nicht mit besonderen Gefahren oder Schmerzen verbunden ist (BGHZ 10, 18, 19 und ständig; eine Grenze zieht BGH NJW 94, 1592). Bei einer Meinungsverschiedenheit unter Ärzten besteht diese Obliegenheit nicht (RGZ 129, 398). Angesichts des Umfangs ärztlicher Risikoaufklärung (exemplarisch BGH NJW 06, 2108 [BGH 14.03.2006 - VI ZR 279/04]: bei einer Blutspende muss auf das Risiko irreversibler Nervschädigung eindringlich hingewiesen werden) dürfte ohnehin eine ›gefahrlose‹ Operation kaum je vorliegen. Recht weitgehend hat BGH (NJW 15, 2246 [BGH 10.02.2015 - VI ZR 8/14]) in der Therapieverweigerung nach einer unfallbedingten psychischen Schädigung durchaus einen Verstoß gegen die Schadensminderung gesehen – eine solche Therapie mag zwar auch ohne invasiven Eingriff auskommen und deshalb ›gefahrloser‹ als eine Operation scheinen; wird aber der Patient medikamentös eingestellt, dürften die möglichen Nebenwirkungen den Bereich einer ›gefahrlosen‹ Belastung bereits verlassen. Entspr zurückhaltender wieder BGH NJW 21, 3656 [BGH 21.09.2021 - VI ZR 91/19] m Anm Luckey.

 

Rn 21

Wenn die Berufsfähigkeit nicht wieder hergestellt werden kann, muss der Geschädigte in einen zumutbaren anderen Beruf wechseln, dessen Vergütung und soziale Wertschätzung nicht spürbar unter derjenigen des alten Berufs liegt (Hamm VersR 92, 1120). Eine Wechselpflicht besteht nur dort, wo eine realistische Erwerbschance besteht. Dementsprechend hat der Geschädigte auch nur dort die Obliegenheit, zu Erwerbszwecken seine Gesundheit wiederherzustellen (soeben Rn 20), wo er nach Genesung eine (Ersatz-)Arbeit würde finden können, BGH NJW 21, 3656 [BGH 21.09.2021 - VI ZR 91/19]. Die Eröffnung einer eigenen Praxis kann aber unzumutbar sein (BGH NJW 74, 602).

 

Rn 22

Dem Geschädigten kann auch eine Umschulung zuzumuten sein, selbst wenn diese vorübergehend(!) mit einer Trennung von seiner Familie und einem Wechsel des Wohnsitzes verbunden ist (BGHZ 10, 18, 20). Auch hier muss der Schädiger die Finanzierung übernehmen. Die Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersgrenze (also das In-Rente-Gehen) ist dem Geschädigten nicht zuzumuten (BGH NJW 82, 984 [BGH 10.11.1981 - VI ZR 262/79]). Zu einer Umschulung ist er indes nur verpflichtet, wenn überhaupt eine Aussicht auf einen Erfolg der Umschulung und eine nutzbringende Tätigkeit in dem neuen Beruf besteht (BGH NJW 1991, 1412 [BGH 09.10.1990 - VI ZR 291/89]); generell besteht nur bei Zumutbarkeit eine Pflicht zur Umschulung, was nach Alter, Ausbildung und sonstigen Lebensverhältnissen beurteilt wird (hierzu BGH NJW 98, 3706 [BGH 29.09.1998 - VI ZR 296/97]; NZV 07, 29 [BGH 26.09.2006 - VI ZR 124/05]). Wird allerdings eine zumutbare Ersatztätigkeit vorwerfbar nicht aufgenommen, ist der Anspruch auf Ersatz des verletzungsbedingt entstandenen Verdienstausfalls um die (fiktiven) Einkünfte aus einer zumutbaren Tätigkeit zu kürzen (BGH NJW 21, 3656 [BGH 21.09.2021 - VI ZR 91/19]).

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