Gesetzestext
Eine Willenserklärung, welche durch die zur Übermittlung verwendete Person oder Einrichtung unrichtig übermittelt worden ist, kann unter der gleichen Voraussetzung angefochten werden wie nach § 119 eine irrtümlich abgegebene Willenserklärung.
A. Zweck.
Rn 1
Schaltet der Erklärende eine Person oder Einrichtung zur Übermittlung seiner Willenserklärung ein und wird die Erklärung unrichtig übermittelt, stimmt der äußere Erklärungstatbestand nicht mit dem Willen des Erklärenden überein. Deswegen stellt die Vorschrift den Übermittlungsirrtum mit dem Erklärungsirrtum nach § 119 I Alt 2 gleich. Da der Absender die Übermittlungsgefahr schafft und beeinflussen kann, ist es im Interesse des Verkehrsschutzes gerechtfertigt, das Vertrauen des Empfängers zu schützen und den Erklärenden für das Risiko der Übermittlungsform einstehen zu lassen.
B. Voraussetzungen.
I. Willenserklärung.
Rn 2
Die Willenserklärung des Absenders muss fehlerhaft übermittelt, von der Mittelsperson also eine fremde Willenserklärung befördert worden sein. Ein wirksamer Widerruf der Willenserklärung schließt § 120 aus (BGH NJW 08, 2702 [BGH 21.05.2008 - IV ZR 238/06] Tz 34). Es genügt eine durch die Aktivierung einer falschen Funktion bei einem Dienstleister fehlerhaft erstellte invitatio ad offerendum, auf die sich die Annahmeerklärung bezieht (Frankf MDR 03, 677 [BGH 05.02.2003 - VIII ZR 111/02]; Hamm NJW 04, 2601 [OLG Hamm 12.01.2004 - 13 U 165/03]). Da der Vertreter keine fremde Erklärung übermittelt, sondern eine eigene abgibt, kann keine Anfechtung nach § 120, sondern eine gem § 166 I erfolgen. Eine fernmündliche Erklärung ist gem § 119 zu behandeln.
II. Übermittlungsperson oder -einrichtung.
Rn 3
Der Erklärende muss sich einer Mittelsperson oder Institution bedient haben. Als Personen kommen Boten oder Dolmetscher (BGH WM 63, 166) und als Einrichtungen Post- oder Telegrafendienste, Internetprovider (Frankf MDR 03, 677 [BGH 05.02.2003 - VIII ZR 111/02]; Fritzsche/Malzer DNotZ 95, 13) und alle anderen Organisationen oder Diensteanbieter in Betracht, die fremde Willenserklärungen an einen Adressaten übermitteln. Die Person oder Einrichtung muss vom Erklärenden verwendet, dh eingesetzt sein. Auf eine unrichtige Übermittlung durch den Empfangsboten ist § 120 nicht anwendbar. Dieses Risiko trägt der Empfänger, der nicht nach § 120 anfechten kann, weil er keine Erklärung abgibt. Bei der Verfälschung einer E-Mail oder SMS auf dem Transportweg trägt der Absender das Verfälschungsrisiko, nachdem Eingang in der Mailbox der Empfänger (Ultsch NJW 97, 3009). Hat der Erklärende keinen Boten eingeschaltet, sondern geriert sich ein Dritter als Bote (Scheinbote), liegt keine Willenserklärung des Absenders vor. Dies gilt grds auch bei manipulierten E-Mails, es sei denn, der Erklärende muss sich diese zurechnen lassen.
III. Unbewusst unrichtige Übermittlung.
Rn 4
Über den Wortlaut von § 120 hinaus muss die Erklärung unbewusst unrichtig übermittelt worden sein. Dann ist auch ein völlig veränderter Inhalt oder ein anderer Empfänger unschädlich. Auf eine bewusst unrichtige Übermittlung ist § 120 nicht anwendbar (BGH NJW 08, 2702 [BGH 21.05.2008 - IV ZR 238/06] Tz 35; Kobl BB 94, 820; BeckOK/Wendtland § 120 Rz 5; Soergel/Hefermehl § 120 Rz 4; aA Marburger AcP 173, 143 ff; AnwK/Feuerborn § 120 Rz 6), ggf kommt aber eine Haftung des Absenders aus Rechtsscheingesichtspunkten in Betracht. Die §§ 177 ff sind analog anwendbar (Oldbg NJW 78, 951 [OLG Oldenburg 19.01.1978 - 1 U 88/77]). Genehmigt der Absender nicht, haftet der Bote entspr § 179 (s.a. Rn 6).
IV. Unkenntnis des Empfängers.
Rn 5
Bei Kenntnis des Adressaten liegt eine falsa demonstratio vor (Erman/Arnold § 120 Rz 6).
C. Rechtsfolgen.
Rn 6
Die Willenserklärung ist in der Frist des § 121 anfechtbar. Der Anfechtende haftet nach § 122, der Bote oder die Einrichtung nach dem jeweiligen Innenverhältnis, s.a. §§ 40 f TKG, § 7 TKV. Bei bewusst unrichtiger Übermittlung ist eine deliktische Haftung sowohl ggü dem Absender als auch dem Empfänger möglich, ggf aber auch nach §§ 280 I, III, 282, 311 II, 241 II.
D. Beweislast.
Rn 7
Macht der Erklärende eine unverfälschte Übermittlung geltend, muss er darlegen und beweisen, dass die Erklärung unverfälscht in den Empfangsbereich des Adressaten gelangt ist. Will der Absender anfechten, muss er die zur Anfechtung berechtigenden Tatsachen beweisen. Entspr gilt, wenn er sich auf eine bewusst verfälschte Erklärung beruft (BeckOK/Wendtland § 120 Rz 9).