Gesetzestext
(1) Ein Volljähriger kann als Kind angenommen werden, wenn die Annahme sittlich gerechtfertigt ist; dies ist insbesondere anzunehmen, wenn zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden ein Eltern-Kind-Verhältnis bereits entstanden ist.
(2) 1Für die Annahme Volljähriger gelten die Vorschriften über die Annahme Minderjähriger sinngemäß, soweit sich aus den folgenden Vorschriften nichts anderes ergibt. 2Zur Annahme eines Verheirateten oder einer Person, die eine Lebenspartnerschaft führt, ist die Einwilligung seines Ehegatten oder ihres Lebenspartners erforderlich. 3Die Änderung des Geburtsnamens erstreckt sich auf den Ehe- oder Lebenspartnerschaftsnamen des Angenommenen nur dann, wenn sich auch der Ehegatte oder Lebenspartner der Namensänderung vor dem Ausspruch der Annahme durch Erklärung gegenüber dem Familiengericht anschließt; die Erklärung muss öffentlich beglaubigt werden.
A. Grundlagen.
Rn 1
Grds ist auch die Annahme eines Volljährigen zulässig. Ob das anzunehmende Kind bereits die Volljährigkeit erlangt hat, wird nach seinem Heimatrecht, das gem Art 7 I 1 EGBGB zur Anwendung gelangt, bestimmt (Bremen OLGR 06, 510). Da in diesem Fall aufgrund der Volljährigkeit nicht mehr das Wohl des Kindes iSd Familienrechtes im Vordergrund stehen kann, tritt an die Stelle des Kindeswohls die sittliche Rechtfertigung der Adoption (Liermann FamRZ 93, 1263). Besondere Anforderungen stellt das Gesetz in § 1772 für den Fall, dass der Ausspruch der Annahme eines Volljährigen mit den Wirkungen der Minderjährigenadoption erfolgen soll. Die formellen Voraussetzungen sind grds vergleichbar mit denen der Minderjährigenadoption, jedoch entfallen die Beschränkungen aufgrund der Minderjährigkeit.
Rn 2–3
[nicht besetzt]
Rn 4
Die Regeln geltend entspr für die eingetragene Lebenspartnerschaft. Fehlerquellen bei der Erwachsenenadoption behandelt ausf Brammen (FamFR 11, 413).
B. Regelungsumfang.
I. Sittliche Rechtfertigung (Abs 1).
Rn 5
Grds ist eine Annahme eines Volljährigen nur dann zulässig, wenn sie sittlich gerechtfertigt ist, da die Herstellung familiärer Beziehungen nicht der freien Disposition der Beteiligten überlassen werden soll (Hambg Beschl v 18.4.18 – 2 UF 144/17, juris Rz 19). Dieses restriktiv auszulegende Tatbestandsmerkmal dient dazu, missbräuchliche Annahmen von Volljährigen zu verhindern, die vorrangig auf die Erreichung auf der Wahlverwandtschaft beruhender, günstiger Rechtspositionen im Bereich des Vermögens-, Steuer-, Namens- oder auch Ausländerrechts abzielen (BGH NZFam 21, 964, 969f). Ob eine sittliche Rechtfertigung zu bejahen ist, ist iR einer umfassenden Einzelfallwürdigung festzustellen. Falls nach erfolgter Abwägung begründete Zweifel an der sittlichen Rechtfertigung verbleiben, hat das FamG den Adoptionsantrag abzulehnen (Nürnbg NZFam 14, 964 m zustimmender Anm Friederici). Solche Zweifel können bspw bei einer relativ kurzen Dauer der Beziehung, aber auch aufgrund des Alters oder Gesundheitszustands des Annehmenden angezeigt sein (Brandbg FamRZ 19, 1721).
Rn 5a
Eine sittliche Rechtfertigung ist nach I Hs 2 insb dann gegeben, wenn ein Eltern-Kind-Verhältnis bereits entstanden ist. Unter Erwachsenen bedarf es für ein Eltern-Kind-Verhältnis einer auf Dauer angelegten Bereitschaft zu gegenseitigem Beistand, vergleichbar dem typischerweise zwischen leiblichen Eltern und Kindern geleisteten (BayObLG NJOZ 03, 3112, 3115). Haben die Annehmenden und Anzunehmenden keine häusliche Gemeinschaft begründet, kontraindiziert dies ein Eltern-Kind-Verhältnis (Brandbg FuR 20, 316). Weitere Gegenindizien sind ua ein sehr hoher bzw geringer Altersunterschied, der im Gegensatz zur natürlichen Generationenfolge steht, bloß freundschaftliche oder kollegiale Beziehungen, sprachbedingte Verständigungsprobleme, Unkenntnis der persönlichen Lebensumstände und eine aufenthaltsrechtliche und staatsangehörigskeitrechtliche Motivation (vgl Oldbg FamRZ 23, 1296). Im Fall der beabsichtigten Adoption eines Schwiegerkindes kann von einer sittlichen Rechtfertigung ausgegangen werden, wenn die Schwägerschaftsbeziehung die Ehe überdauert hat und in der Folge eine vom leiblichen Kind des Annehmenden eigenständige Eltern-Kind-Beziehung zwischen Annehmenden und Anzunehmenden entstanden ist (Köln NZFam 19, 648).
Rn 5b
Entscheidender Anlass für die Annahme muss ein familienbezogenes Motiv sein. Dabei kann es sich auch um die Regelung der Unternehmens- oder Hofnachfolge handeln (München FamRZ 20, 516). Steuerliche Motive stehen dem nicht entgegen (Schlesw FamRZ 20, 615). So muss auch die Ersparnis von Erbschaftssteuer nicht einer Adoption entgegenstehen, sie darf allerdings auch nicht das Hauptmotiv sein (Karlsr NJW-RR 06, 364). Steht dagegen nur die finanzielle Absicherung des Anzunehmenden im Vordergrund, ist die Adoption unzulässig (München FamRZ 10, 46–47).
Rn 5c
Eine zeitweise geschlechtliche Beziehung zwischen Annehmendem und Anzunehmendem führt zu einem Annahmehindernis für eine spätere Erwachsenenadoption, da sexuelle Beziehungen kein Inhalt eines Eltern-Kind-Verhältnisses sind (München FuR 06, 138; Zweibr MDR 20, 67...