Prof. Dr. Maximilian Zimmer
Gesetzestext
Die Versäumung der Ausschlagungsfrist kann in gleicher Weise wie die Annahme angefochten werden.
A. Allgemeines.
Rn 1
Das Recht, bei Fristversäumnis die Ausschlagung anzufechten, wurde aus ›Billigkeitsgründen‹ (RGRK/Johannsen § 1956 Rz 1) geschaffen und ist ebenso wie die Anfechtung der erklärten Annahme möglich. Ist jedoch die Frist versäumt, weil die erteilte gerichtliche Genehmigung nicht innerhalb der Frist vorgelegt wurde, scheidet die Anfechtung aus, weil es an einer anzufechtenden Willenserklärung fehlt (KG ErbR 2016, 210), die Frist verlängert sich jedoch wegen ›höherer Gewalt‹.
B. Anfechtbarkeit.
Rn 2
Wegen der Gleichbehandlung desjenigen, dessen Annahme durch Fristablauf fingiert wird mit demjenigen, der die Erbschaft tatsächlich angenommen hat, muss auch letzterem ein Anfechtungsrecht zustehen. Anfechtungsberechtigt ist derjenige, der über die objektive Bedeutung seines Verhaltens im Irrtum war und nicht wusste, dass sein Schweigen als Annahme gilt (Grüneberg/Weidlich § 1956 Rz 2). Entspr gilt beim Irrtum über die Länge der Ausschlagungsfrist, der Formbedürftigkeit der Ausschlagung (BayObLG FamRZ 94, 589) und der irrigen Annahme, die Erbschaft wirksam ausgeschlagen zu haben (RGZ 143, 419), des Erfordernisses der Genehmigungsbedürftigkeit oder der Einreichungsfrist (§ 1944 Rn 19). Der Erbe, der irrtümlich davon ausgeht, ihm stehe kein gesetzlicher Erbteil nach dem Erblasser zu, kann binnen 6 Wochen nach Kenntnis des Anfechtungsgrundes die Erbschaftsannahme anfechten (Jena FamRZ 11, 1795). Hätte der Irrende bei Kenntnis der Konsequenzen des Fristablaufs die Erbschaft ausgeschlagen, kann er anfechten. Gegen leichtfertige oder böswillige Anfechtungserklärungen helfen die §§ 119 I, 122.
Rn 3
Mangels Ursächlichkeit kann die Anfechtung nicht mit einem Irrtum über den Nachlassbestand begründet werden (KG NJW 69, 191 [KG Berlin 22.08.1968 - 1 W 2317/68]).
Rn 4
Eine Anfechtung der Anfechtung wegen Versäumung der Anfechtungsfrist ist mangels Analogiefähigkeit der speziellen Vorschrift des § 1956 abzulehnen (MüKo/Leipold § 1956 Rz 9).
C. Frist, Form, Wirkung.
Rn 5
Die Anfechtung der Fristversäumung muss innerhalb von 6 Wochen ggü dem Nachlassgericht erfolgen. Die Frist beginnt in dem Zeitpunkt, in dem der Anfechtungsberechtigte gesicherte Kenntnis vom Ablauf der Ausschlagungsfrist und ihrer rechtlichen Wirkungen (Hamm FamRZ 85, 1185) erlangt hat (zur Darlegungslast vgl Köln FamRZ 14, 1576). Wird die Versäumung der Ausschlagungsfrist angefochten, ist bei Berechnung der Ausschlagungsfrist dem Ausschlagenden die Kenntnis des Notars von der Versäumung der Ausschlagungsfrist in entsprechender Anwendung von § 166 I zuzurechnen, wenn der Notar die Ausschlagungserklärung nicht innerhalb der Ausschlagungsfrist beim Nachlassgericht eingereicht hat, obwohl er dazu beauftragt war (Celle FamRZ 10, 836).
Rn 6
Eine für die Ausschlagung eingeholte familiengerichtliche Genehmigung deckt auch die Anfechtung der Ausschlagung wegen Fristversäumung (Celle ZEV 13, 201 [OLG Celle 14.01.2013 - 10 UF 291/12]), zumal für die Anfechtung eine Genehmigung nicht erforderlich ist.