Rn 27
Für den Anspruch auf Ersatz des Verzögerungsschadens müssen nach § 280 II die zusätzlichen Voraussetzungen des Verzugs nach § 286 gegeben sein. Anschaulicher lässt sich insoweit vom Schadensersatz statt der Rechtzeitigkeit der Leistung sprechen. Nach dem Tatbestandsaufbau kann für die nähere Bestimmung dieses Begriffs und damit die Schadensqualifikation nicht § 286 ausschlaggebend sein – es geht nicht mehr um einen Verzugsschaden iSd alten Rechts – vielmehr geht es nach neuem Recht um die Frage, unter welchen Voraussetzungen bei Überschreitung des Zeitpunkts der Pflichterfüllung die Ersatzfähigkeit eintretender Schäden gegeben sein soll (unrichtig Haberzettl NJW 07, 1328, 1329 [§ 286 konkretisiere die Pflichtverletzung]). Maßgebliches Kriterium ist daher nicht die Verursachung durch die Verspätung (so aber Grüneberg/Grüneberg § 280 Rz 13 und wohl auch BGH NJW 10, 3020 [BGH 14.07.2010 - VIII ZR 267/09] Rz 18f), sondern die fortlaufende Erneuerung und Ausweitung des eintretenden Schadens allein mit der Zeit (anders zum alten Recht BGH NJW 06, 687 [BGH 22.11.2005 - VI ZR 126/04] [Verzögerungsschaden bei verspätetem ärztlichen Zeugnis für eine Risikolebensversicherung]). Solche Schäden können auch auf der Mangelhaftigkeit einer bereits erbrachten Leistung beruhen (unrichtig Grüneberg/Grüneberg § 280 Rz 13). Keine Verzögerungsschäden entstehen hingegen bei der Verletzung von auf Unterlassung gerichteten Pflichten (s Rn 41).
Rn 28
Als Schadensersatz kann der Gläubiger dann bspw Mahnkosten (BGHZ 52, 393, 398; nicht für eine erst verzugsbegründende Mahnung: BGH NJW 85, 320, 324; München NJW-RR 06, 768, 770) und sonstige Kosten der gerichtlichen Rechtsverfolgung (s BGHZ 66, 112, 114; BGH NJW-RR 01, 170; zur RL: Gebauer/Wiedmann/Schmidt-Kessel Verzug Rz 27), und zwar grds einschl der Mehrkosten, die durch die Beauftragung eines anderen Rechtsbeistands im Mahnverfahren angefallen sind (aA BGH NJW 06, 446 [BGH 20.10.2005 - VII ZB 53/05] [zu § 91 ZPO]), außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten (BGH NJW 15, 3782 [BGH 07.05.2015 - III ZR 304/14] Rz 33; MDR 20, 1308 [BGH 01.09.2020 - X ZR 97/19] [zur Geltendmachung des Anspruchs gem Art 7 Fluggastrechte-VO bei Verletzung der Informationspflicht], s Steenbuck MDR 06, 423 ff [zum RVG]; nicht die Räumungskosten nach verzugsbedingter Kündigung, aA BGH NJW 10, 3020 Rz 19), Inkassokosten bei Geldschulden (s BGH NJW 90, 1905 f; Oldbg JurBüro 06, 481; Löwisch NJW 86, 1725–1728; Gebauer/Wiedmann/Schmidt-Kessel Verzug Rz 27) usw verlangen. Das gilt – unabhängig von der Frage, ob es sich hierbei um eine besondere Angelegenheit iSv § 18 RVG handelt – auch für Anwaltskosten für die Einholung einer Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung des Geschädigten (BGH NJW 11, 296 u. 1222 [BGH 09.03.2011 - VIII ZR 132/10]; NJW 12, 919 [BGH 13.12.2011 - VI ZR 274/10]). Voraussetzung ist jeweils, dass die Rechtsverfolgungskosten aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (BGHZ 127, 348, 350; BGH NJW 15, 3793 Rz 8). Maßgeblich ist dabei die Ex-ante-Sicht einer vernünftigen, wirtschaftlich denkenden Person (BGH NJW 15, 3793 [BGH 17.09.2015 - IX ZR 280/14] Rz 8). Die Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit dieses Vorgehens ist keine Frage der Schadensqualifikation, sondern von § 254 II (unscharf BGH NJW 12, 916 Rz 20). Im Anwendungsbereich der Zahlungsverzugsrichtlinie, dh bei Entgeltansprüchen, ist die Pauschale nach § 288 V auf den Verzögerungsschaden anzurechnen; zudem sind die internen Verwaltungskosten des Gläubigers zu ersetzen (Gebauer/Wiedmann/Schmidt-Kessel Verzug Rz 27). Zu den ersatzfähigen Aufwendungen zählt dabei unter den Voraussetzungen der § 1877 III respektive § 354 HGB auch die eigene Arbeitskraft und -zeit (aA Frankf NJW 76, 1320). Bei Kosten der Rechtsverfolgung von Entgeltansprüchen ist die Abdingbarkeit von Ansprüchen nach §§ 280 I, II, 286 durch § 288 VI 2 und 3 eingeschränkt (s § 288 Rn 10).
Rn 29
Unter § 280 II fallen Wert- und Kursverluste sowie ein daraus folgender entgangener Gewinn durch Sinken eines Verkaufs- oder Steigen eines Einkaufspreises. Das gilt insbes für Spekulationsgeschäfte (BGH NJW 02, 2553 [BGH 18.02.2002 - II ZR 355/00]) aber auch für den mit der Verzögerung einhergehenden Wertverlust einer zurückzugebenden Sache (BGH NJW 01, 3114, 3115 [BGH 04.07.2001 - VIII ZR 279/00]). Hierher zählt auch eine eintretende Geldentwertung oder Währungsschwankung (BGH MDR 76, 661; Frankf MDR 81, 1016; München RIW 88, 297, 299; Frankf NJW-RR 88, 1109; WM 89, 57). Umgekehrt sind Wert- und Kursgewinne schadensmindernd anzurechnen (BGHZ 77, 151, 154f).
Rn 30
Ebenfalls Verspätungsschaden sind zusätzliche Finanzierungskosten des Gläubigers (BGHZ 121, 210, 213 [Folge einer Bauverzögerung]). Zinsen von Verzugszinsen können als Verzögerungsschaden verlangt werden, wenn der Schuldner insoweit (auch) in Verzug gesetzt worden ist (s BGH NJW 93, 1260, 1261 [BGH 09.02.1993 - XI ZR 88/92] sowie § 289 Rn 2). Der Steuerschaden wegen verspät...