Rn 171
Die von der Rspr iRd Störerhaftung entwickelten Prüfungs- und anderen Pflichten zB von Presseorganen, Internet-Providern oder Plattformbetreibern, die bei quasinegatorischen Ansprüchen gegen nicht als unmittelbare Täter oder Teilnehmer (zu einer Möglichkeit der Erweiterung der Gehilfenhaftung für Anbieter von Sharehosting-Diensten LG München ZUM 16, 677, 680 ff; ZUM-RD 16, 392, 399 ff) agierende Personen eine wichtige Rolle spielen, lassen sich am sinnvollsten als spezielle Verkehrspflichten qualifizieren, da es hier um mittelbare Verletzungen geht (s insb Spindler/Volkmann WRP 03, 1, 6 ff mwN; H-J Ahrens FS Canaris 3, 16 ff; WRP 07, 1281, 1286 ff; Köhler GRUR 08, 1, 2 ff [BGH 12.07.2007 - I ZR 18/04]; Klatt ZUM 09, 265, 268; Borges NJW 10, 2624, 2627; teilw einschr Döring WRP 07, 1131 ff; für das Lauterkeitsrecht auch Neuhaus Sekundäre Haftung im Lauterkeits- und Immaterialgüterrecht 11, 144 ff; s.a. o Rn 8, § 830 Rn 5; aA insb Picker Privatrechtssystem und negatorischer Rechtsschutz 19, 250 ff, 301 ff u passim: Abstellung auf Zuweisungswidrigkeit führt zu originärer negatorischer Einstandspflicht). Voraussetzungen, Art und Umfang solcher Pflichten, die heute über Prüfungspflichten hinausgehen und zB auch Sicherungspflichten umfassen (s.a. Borges NJW 10, 2624, 2627), sind teilw spezialgesetzlich geregelt (s zB Art 4 ff DSA oder § 10 PatG). Häufig enthalten jedoch die einschlägigen Vorschriften keine genauen Kriterien für die Eingrenzung des Kreises der Verantwortlichen. Daher werden Prüfungspflichten zunehmend von der Rspr entwickelt und konkretisiert (s nur BGH NJW 97, 2180, 2181 f [BGH 10.10.1996 - I ZR 129/94]; 99, 1960 f [BGH 15.10.1998 - I ZR 120/96]; BGHZ 148, 13, 17 ff; 158, 236, 251 f; 343, 350 ff; 172, 119 Rz 40 ff; 173, 188 Rz 38 ff; 180, 134 Rz 16; 182, 24 Rz 18; 185, 330 Rz 24, 34; 187, 354 Rz 13; 191, 19 Rz 20 ff; 219 Rz 22 ff; 194, 339 Rz 20 ff; 200, 76 Rz 22 ff; 227, 173 Rz 20 ff; GRUR 21, 730 [BGH 21.01.2021 - I ZR 20/17] Rz 37 ff, 60 f; NJW 22, 3072 [BGH 09.08.2022 - VI ZR 1244/20] Rz 15 ff, alle mwN; s.a. BVerfG NJW 12, 1715 [BVerfG 21.03.2012 - 1 BvR 2365/11]), wobei va Zumutbarkeitsgesichtspunkte eine Rolle spielen (zu Kriterien insb Spindler/Volkmann WRP 03, 1, 8 ff, 11 ff; Volkmann CR 08, 232, 233 ff; Leistner GRUR 06, 801, 808 ff; Leistner/Stang WRP 08, 533, 541 ff; H-J Ahrens FS Canaris 3, 18 ff; WRP 07, 1281, 1287 ff; Köhler GRUR 08, 1, 4 f [BGH 12.07.2007 - I ZR 18/04]; Klatt ZUM 09, 265, 268 ff; Fürst WRP 09, 378, 380 ff; Loschelder/Dörre WRP 10, 822 ff; Ensthaler/Heinemann GRUR 12, 433, 434 ff; Krüger/Apel MMR 12, 144, 150 f; Becker WRP 13, 41, 44 ff; Fezer/Büscher/Obergfell/Büscher UWG § 8 Rz 134). Bei der Störerhaftung geht es zwar regelmäßig um Unterlassungs- bzw Beseitigungsansprüche und gerade nicht um Schadensersatzansprüche. Die sich in diesem Rahmen herausbildenden Verkehrspflichten dürften aber genauso für Schadensersatzansprüche gegen den Störer (idR aufgrund spezialgesetzlicher Anspruchsgrundlage) gelten. Der BGH hat für das Lauterkeitsrecht eine Einordnung von Prüfungspflichten als Verkehrspflichten anerkannt (BGHZ 173, 188 Rz 36 f; WRP 14, 1050 [BGH 18.06.2014 - I ZR 242/12] Rz 20 ff; GRUR 23, 732 [BGH 23.02.2023 - I ZR 155/21] Rz 35 ff). Für Immaterialgüterrechtsverletzungen verwies der I. Senat hingegen bislang einerseits ausdrücklich auf die Rspr zu Verkehrspflichten (BGHZ 185, 330 Rz 23; 191, 19 Rz 20), lehnte aber eine täterschaftliche Schadensersatzhaftung wegen Verletzung einer Verkehrspflicht ab (zB BGHZ 185, 330 Rz 13; WRP 11, 223 Rz 48). Die Differenzierung, die der I. Senat (teilw abw für das Patentrecht der Xa-Senat: BGHZ 182, 245 Rz 33 ff) zwischen Lauterkeits- und Immaterialgüterrecht vornehmen will, überzeugt nicht und dürfte auch durch die Unterscheidung zwischen Handlungs- und Erfolgsunrecht kaum zu begründen sein. Eine dogmatisch einheitliche Einordnung als Verkehrspflichten (in diese Richtung auch zB Leistner GRUR-Beil 10, 1, 12, 18 ff; Leistner/Stang LMK 10, 297473; Wagner GRUR 20, 329, 334f) erscheint angesichts der zunehmenden Ausdifferenzierung einzelner Pflichten wichtiger denn je. Letztlich geht es ja auch im Immaterialgüterrecht in diesen Fällen nicht um die Rechtsverletzung als solche, sondern um unzureichende Sicherungsmaßnahmen. Einer sich aus einer solchen Betrachtungsweise möglicherweise ergebenden weitreichenden Schadensersatzhaftung (dazu auch für das Patentrecht BGHZ 182, 245 Rz 38 – hier allerdings nicht entscheidungserheblich) kann durch eine sinnvolle Ergänzung der immer umfangreicheren Prüfungs- und Sicherungspflichten durch Haftungsprivilegierungen – wie etwa in Art 4 I DSA – Rechnung getragen werden. Für bestimmte Aspekte der urheberrechtlichen Haftung von Host-Providern hat der BGH in Umsetzung von Rspr des EuGH nunmehr auch die Störerhaftung zugunsten einer auf Verkehrspflichten basierenden Haftung aufgegeben (s hier nur BGH NJW 22, 2980 Rz 113; BGHZ 234, 37 Rz 42). Es wäre zu wünschen, dass dies auf andere Teilgebiete d...