Gesetzestext
(1) Wird infolge einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit die Erwerbsfähigkeit des Verletzten aufgehoben oder gemindert oder tritt eine Vermehrung seiner Bedürfnisse ein, so ist dem Verletzten durch Entrichtung einer Geldrente Schadensersatz zu leisten.
(2) 1Auf die Rente findet die Vorschrift des § 760 Anwendung. 2Ob, in welcher Art und für welchen Betrag der Ersatzpflichtige Sicherheit zu leisten hat, bestimmt sich nach den Umständen.
(3) Statt der Rente kann der Verletzte eine Abfindung in Kapital verlangen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.
(4) Der Anspruch wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein anderer dem Verletzten Unterhalt zu gewähren hat.
A. Funktion.
Rn 1
Auch § 843 steht (ebenso wie § 842 Rn 1) systematisch falsch, weil er nicht nur für Ersatzansprüche aus Delikt gilt, sondern allg Schadensrecht enthält. Anders als § 842 beantwortet er aber auch zwei nach den §§ 249, 252 nicht ohne Weiteres zu entscheidende Sachprobleme:
Rn 2
Die I–III regeln die Frage, ob der (oft viele Jahre in die Zukunft hinein) zu leistende Ersatz als Einmalzahlung oder als Rente geschuldet wird. Diese Problematik ist offenbar unabhängig vom Vorliegen einer deliktischen Anspruchsgrundlage. S.u. Rn 4 ff.
Rn 3
IV dagegen regelt eine (ebenfalls von der Anspruchsgrundlage unabhängige) Frage der Vorteilsausgleichung (s § 249 Rn 80 ff): Wird der Schadensersatzanspruch durch Unterhaltsansprüche des Verletzten gegen Dritte aufgehoben oder gemindert? S.u. Rn 15 ff.
B. Einmalzahlung oder Rente?
I. Die Regel.
Rn 4
Sie steht in I: Der Schadensersatz wird als Geldrente geschuldet. Das ist auch sachlich begründet. Denn der zu ersetzende Erwerbsschaden und die Kosten für vermehrte Bedürfnisse entstehen gleichfalls erst im Lauf der Zeit. Auch werden so Spekulationen über die mutmaßliche Fortdauer der Schäden vermieden; Veränderungen können leicht über § 323 ZPO berücksichtigt werden. Die Rente ist zu befristen bis zum mutmaßlichen (also unfallunabhängigen) Ende des Erwerbslebens, wenn es um den Erwerbsschaden geht (BGH NJW-RR 04, 821, 822), beim Mehrbedarfsschaden ist sie regelmäßig – wie der erhöhte Bedarf eben auch – lebenslänglich geschuldet. Der Haushaltsführungsschaden (hierzu § 252 Rn 18) wird von der älteren Rspr noch bis zum 75. Lebensjahr befristet (BGH NJW 74, 1651, 1653; in jüngerer Zeit Hamm NZV 17, 335). In Zeiten stetig steigender Lebenserwartung der ›best ager‹ sollte er indes ebenfalls lebenslang zuerkannt werden (so auch Köln GesR 16, 556; SP 16, 154; Kobl DAR 17, 198; Celle DAR 20, 625); die (geringe) Überkompensation ist eher vertretbar als die willkürliche Befristung auf einen Zeitpunkt, in dem idR noch die überwiegende Leistungsfähigkeit besteht.
II. Die Ausnahme.
Rn 5
Sie steht in III: Aus wichtigem Grund soll der Geschädigte eine sofortige Kapitalabfindung verlangen können. Dagegen hat der Schuldner kein solches Wahlrecht, auch wenn er (etwa als Versicherer) an einer schnellen Abwicklung interessiert sein mag (s BGHZ 79, 187, 191). Bei Einigkeit ist aber jederzeit ein Abfindungsvergleich möglich und auch häufig.
Rn 6
Als wichtiger Grund kommt ein besonderes Interesse des Geschädigten in Betracht, der etwa seine Existenz sichern will; ebenso genügen begründete Zweifel an der Fortdauer der Leistungsfähigkeit des Schuldners. Der Höhe nach soll der Geschädigte den Betrag erhalten, der zusammen mit den erzielbaren Zinsen (dazu Jaeger VersR 2006, 597; ausführlich Huber, in: NK-BGB, §§ 842, 843, Rz 295 ff) die Summe der an sich geschuldeten Rente erreicht (BGHZ 79, 187, 190). Dabei werden im Fall einer lebenslangen Rente (›Leibrente‹) als erster Anhalt die auf die Sterbetafeln sich gründenden Kapitalisierungstabellen herangezogen (BGHZ aaO 191, etwa bei Luckey, Rz 1693), wobei beachtet werden muss, dass diese auf bereits eingetretenen Todesfällen basieren und nicht die Regel berücksichtigen, dass später geborene Menschen nach wie vor eine statistisch höhere Lebenserwartung haben
Rn 7
Gerade bei der Berechnung der Kapitalabfindung sind daher fehleranfällige Prognosen nötig. Offen sind dabei vor allem zwei Punkte, nämlich die Schadenshöhe und die Laufzeit des zu leistenden Schadensersatzes. Prognostiziert werden muss nicht nur, welchen beruflichen Werdegang etwa der unfallbedingt Erwerbsunfähige in einem manchmal recht langen Zeitraum genommen hätte, sondern auch die mutmaßliche Dauer der Erwerbstätigkeit und seine mutmaßliche Lebensdauer, wenn es um Mehrbedarf geht. Die Lebensumstände des Verletzten und sein wirtschaftliches Umfeld spielen dabei eine wichtige Rolle. Wenn sich die Prognosen als falsch erweisen, lässt BGHZ 79, 187, 192 f keine Abänderungsklage analog § 323 ZPO zu: Die Abfindung enthalte Elemente eines Vergleichs; die durch sie gewünschte Befriedung dürfe nicht nachträglich wieder beseitigt werden (aA teils die Lit, Angaben bei MüKo/Wagner Rz 78 Fn 19).
C. Einzelheiten zur Rente.
I. Voraussetzungen.
1. Erwerbsschaden.
Rn 8
In der ersten Alt spricht I (anders als § 842) nicht von einer Beeinträchtigung von ›Erwerb oder Fortkommen‹, sondern nur von der ›Erwerbsfähigkeit‹. Das ist missverständlich, weil in der Sache kein Unterschied besteht: Auch i...