Leitsatz
Im Verbundverfahren Ehescheidung/Versorgungsausgleich war der Antragstellerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten bewilligt worden. Nach Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung und dessen Verlegung wurde dieser wegen Verhinderung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin aufgehoben und "im vermuteten Einverständnis der Parteien das schriftliche Verfahren angeordnet". In dem zugleich anberaumten Verkündungstermin wurde im schriftlichen Verfahren durch Urteil vom 6.3.2008 die Ehe der Parteien geschieden und festgestellt, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Die Kosten des Verfahrens wurden gegeneinander aufgehoben. Der Streitwert wurde für die Ehescheidung auf 3.600,00 EUR und für den Versorgungsausgleich auf 1.000,00 EUR festgesetzt.
Mit seinem Antrag auf Festsetzung der Vergütung begehrte der der Antragstellerin beigeordnete Rechtsanwalt u.a. die Festsetzung einer 1,2 Terminsgebühr. Dem Festsetzungsantrag wurde hinsichtlich der Terminsgebühr von der Urkundsbeamtin nicht entsprochen. Die hiergegen gerichtete Erinnerung wurde zurückgewiesen, weil eine mündliche Verhandlung nicht stattgefunden habe.
Hiergegen hat der Beschwerdeführer Beschwerde eingelegt.
Sein Rechtsmittel erwies sich als zulässig und auch in der Sache begründet.
Sachverhalt
Siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Nach Auffassung des OLG entsteht eine 1,2 Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 RVG dann, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden wird.
Eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung setze das Einverständnis der Parteien gemäß § 128 Abs. 2 ZPO voraus. Eine solche Erklärung habe bei Anordnung des schriftlichen Verfahrens nicht vorgelegen, sie sei jedoch ausdrücklich von der Antragstellerin durch ihren Verfahrensbevollmächtigten nachträglich erteilt worden.
Grundsätzlich genüge es nicht, wenn sich die Parteien lediglich nicht erklärten, nachdem ihnen das Gericht schriftlich bekannt gegeben habe, es werde ihr Einverständnis annehmen, wenn innerhalb einer bestimmten Frist nichts Gegenteiliges geäußert werde. Schweigen bedeute nur dann Zustimmung, wenn eine Pflicht zur Erklärung bestehe, die hier nicht gegeben sei.
Grundsätzlich sei auch im Fall des Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 RVG-VV allein entscheidend, wie sich die prozessualen Vorgänge tatsächlich abgespielt hätten und nicht, wie sie prozessrechtlich richtig gewesen wären, so dass eine Terminsgebühr nicht anfalle, wenn das Gericht trotz fehlenden Einverständnisses ohne mündliche Verhandlung entscheide.
Vorliegend sei jedoch die Besonderheit zu berücksichtigen, dass die Familienrichterin den Parteien keine Frist zur Erklärung gesetzt und nach deren Ablauf das Schweigen als Zustimmung gewertet habe, sondern sie aus dem vorangegangenen Verhalten der Parteien gefolgert bzw. vermutet habe, dass deren Einverständnis zur Entscheidung im schriftlichen Verfahren vorliege. Sie habe deshalb dieses "im vermuteten Einverständnis der Parteien" angeordnet und die Parteien gerade von der entsprechenden Prozesserklärung abgehalten. Das hierauf erfolgte Schweigen müsse ausnahmsweise als Zustimmung zu dem bereits angeordneten Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO angesehen werden.
Link zur Entscheidung
OLG Stuttgart, Beschluss vom 14.10.2008, 8 WF 169/08