Rz. 63
Insbesondere wenn es um die Nachlassplanung von größeren Vermögen in Russland geht, wurde in der Vergangenheit häufig auf Möglichkeiten, die z.B. Stiftungsmodelle im Ausland bieten, zurückgegriffen (siehe Rdn 5). Weiterhin gibt es im russischen Recht keine Möglichkeit, den Erbteil reduzierende Schenkungen oder sonstige Vermögensdispositionen zu Lebzeiten des Erblassers anzufechten. Somit kann ein Erblasser entweder mittels Schenkungen oder Einrichtung von Stiftungen seine Nachlassplanung durchführen, ohne – wie in Deutschland – Gefahr zu laufen, dass diese Verfügungen noch innerhalb einer bestimmten Zeit angefochten werden. Weiterer Hintergrund für die Einrichtung von Stiftungen im Ausland ist, dass Erblasser ihr Vermögen außerhalb Russlands vor dem Zugriff des russischen Staates sichern möchten und – bis Anfang 2006 – die russische Erbschaftsteuer vermeiden wollten.
Rz. 64
Zum 1.9.2018 wurde auch in Russland die Möglichkeit der Errichtung einer Nachlassstiftung geschaffen, um insbesondere Unternehmen im Nachlass ohne Unterbrechung aufgrund der Sechsmonatsfrist für die Erteilung von Erbscheinen fortzuführen. Eine solche Nachlassstiftung wird gemäß Art. 123.20–8 ZGB auf Grundlage einer letztwilligen Verfügung des Erblassers auf Antrag des für das Nachlassverfahren zuständigen Notars errichtet. Ihr wird ein entsprechender Erbschein ausgestellt. Der Notar hat den Antrag innerhalb von drei Werktagen nach Nachlasseröffnung bei der Registrierungsbehörde zu stellen. Wenn der Notar den Antrag nicht einreicht, kann eine Nachlassstiftung gerichtlich auf Antrag eines Begünstigten errichtet werden, allerdings nur innerhalb einer Jahresfrist ab Nachlasseröffnung.
Rz. 65
Rechtlich handelt es sich bei einer russischen Nachlassstiftung um eine nichtkommerzielle Organisation, die im einheitlichen staatlichen Register juristischer Personen eingetragen wird. Um eine solche Nachlassstiftung zu gründen, muss der Erblasser zu Lebzeiten eine Entscheidung über ihre Gründung treffen sowie die Satzung und alle Bedingungen für die Verwaltungsorgane der Stiftung festlegen. Ebenso muss er die Personen, die die Stiftung verwalten sollen, bestimmen. Eine Nachlassstiftung kann für einen bestimmten Zeitraum, aber auch unbefristet errichtet werden. Die Gründungsdokumente müssen dabei im Rahmen eines Testaments notariell beurkundet werden. Gesetzlich sind für eine Nachlassstiftung folgende Verwaltungsorgane vorgesehen: Geschäftsführung (darf nicht durch den oder die Begünstigten besetzt sein), Vorstand, oberes kollegiales Organ und Verwaltungsrat. Nach dem Tode des Erblassers können die Satzung der Nachlassstiftung sowie die Regelungen zur Verwaltung nur noch aufgrund einer Gerichtsentscheidung geändert werden. Ebenso bedarf die Liquidierung einer Nachlassstiftung einer entsprechenden Gerichtsentscheidung. Eine Liquidierung ist z.B. vorgesehen, wenn innerhalb eines Jahres die Verwaltungsorgane nicht besetzt werden können.