A. Einführung
Rz. 1
Das russische Gesellschaftsrecht ist ganz überwiegend Körperschaftsrecht und gehört daher zum Recht der juristischen Personen, in dem auch die grundlegenden Regelungen für alle Gesellschaftstypen zu suchen sind. Das Recht der juristischen Personen unterscheidet zwischen nicht gewerblichen (sog. nicht kommerziellen) und gewerblichen (kommerziellen) Organisationen. Nicht gewerbliche Organisationen können je nach Zweck als Konsumgenossenschaften, gemeinnützige oder religiöse Vereinigungen, Stiftungen sowie Einrichtungen existieren. Ebenfalls zu den nicht gewerblichen Organisationen gehören Verbände und Assoziationen von Körperschaften. Zu den gewerblichen Organisationen gehören sog. Produktionsgenossenschaften oder Erwerbsgenossenschaften, die sog. unitarischen Unternehmen (eine besondere Rechtsform für Unternehmen der öffentlichen Hand) und außerdem die Wirtschaftsgesellschaften.
Rz. 2
Unter den Wirtschaftsgesellschaften kommen als Rechtsformen am häufigsten die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (obschestwo s ogranichennoj otwetstwennostju – OOO) und die Aktiengesellschaft (akzionernoje obschestwo – AO) vor. Mischformen wie die GmbH & Co. KG oder die AG & Co. KG sind möglich. Die GmbH und die Aktiengesellschaft sind als einzige Gesellschaftstypen durch Einzelgesetze geregelt.
Rz. 3
Neben den körperschaftlichen Zusammenschlüssen gibt es die Figur des Einzelunternehmers und die sog. einfache Gesellschaft als besonderen Vertragstyp, der für Zusammenschlüsse sowohl zu Erwerbszwecken als auch für sonstige Zwecke dienen kann.
Rz. 4
Das GmbH-Recht wird grundlegend durch das Zivilgesetzbuch der Russischen Föderation (Art. 48–68, 87–94 ZGB der RF) geregelt. Lex specialis ist das am 8.2.1998 verabschiedete Gesetz "Über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung" (GmbHG der RF), das am 1.3.1998 in Kraft getreten ist. Das russische GmbH-Gesetz entspricht weitgehend dem deutschen Vorbild und baut auf den Vorschriften des russischen Zivilgesetzbuches auf. Für Gesellschaften mit ausländischer Beteiligung sind im russischen Gesetz Sonderregelungen enthalten.
Rz. 5
Art. 2 Abs. 1 GmbHG der RF definiert die Gesellschaft mit beschränkter Haftung als eine von einer Person bzw. von mehreren Personen gegründete Wirtschaftsgesellschaft, deren Satzungskapital in Anteile geteilt ist.
Rz. 6
Das GmbH-Gesetz ermöglicht eine wesentlich flexiblere und einfachere Organisation der GmbH im Vergleich zu anderen Rechtsformen. Die GmbH ist eine bequeme Rechtsform für die Errichtung einer kleinen bzw. mittleren Gesellschaft mit einem relativ geringen Mindeststammkapital von 10.000 RUR (ca. 130 EUR). Es besteht grundsätzlich keine Haftung der Gesellschafter für Gesellschaftsverbindlichkeiten. Einen durch die Tätigkeit der Gesellschaft bedingten Verlust haben sie nur innerhalb der Grenzen der von ihnen erbrachten Einlagen zu tragen. Eine Durchgriffshaftung auf die Gesellschafterebene besteht lediglich in den Fällen, in denen der (die) Gesellschafter die Gesellschaft verbindlich zum Abschluss eines Rechtsgeschäfts angewiesen hat (haben). Bei den Verfahrensvorschriften für Kapitalerhöhungen können ausländische Investoren mit anderen gesetzlichen Bestimmungen (z.B. Zoll- und Devisenrecht) kollidieren. Hier sind im Einzelfall im Vorfeld genaue Prüfungen vorzunehmen.
Rz. 7
Durch die Entwicklung von klein- und mittelständischem Business in Russland ist die Anzahl von registrierten juristischen Personen in Form einer GmbH in den letzten Jahren stark gewachsen (ca. 70 % aller registrierten Unternehmen in Russland sind GmbHs). Die meisten ausländischen Investoren wählen derzeit für ihre Investitionen in Russland entweder die Aktiengesellschaft oder die GmbH.
B. Gründung und Registrierung der Gesellschaft
I. Überblick über das Gründungsverfahren
Rz. 8
Die Gründung einer GmbH erfolgt durch Beschlussfassung der Gesellschafter (Gründer) und Bestätigung der Satzung der Gesellschaft. Der Gesellschafterbeschluss hat folgende Mindestangaben zu enthalten: Entscheidung über die Gründung der Gesellschaft, Bestätigung der Satzung, Höhe, Art und Fristen der Einbringung der Einlagen in das Vermögen der Gesellschaft, Wahl der Organe der GmbH, Wahlergebnisse und sonstige gesetzlich vorgesehene Angaben.
Rz. 9
Neben der Beschlussfassung und der Bestätigung der Satzung haben die Gründer einen Gründungsvertrag abzuschließen. Der Gründungsvertrag wird zwar nicht mehr als Gründungsdokument der Gesellschaft anerkannt, dient aber der Regulierung gemeinsamer Tätigkeit der Gründer im Zusammenhang mit der Gründung der Gesellschaft. Der Gründungsvertrag ist in seiner Gültigkeit bis zum Zeitpunkt der staatlichen Registrierung der Gesellschaft befristet.
Rz. 10
Die Beschlussfassung über die Gründung der Gesellschaft, die Annahme der Satzung sowie die Bewertung der Einlagen haben einstimmig zu erfolgen. Die Gesellschaftsbeschlüsse über die Wahl der geschäftsführenden Organe, Bildung der Revisionskommission und Bestellung des Wirtschaftsprüfers der Gesellschaft sind mit einer Mehrheit von mindestens ¾ der Stimmen zu fassen. Alle übrigen Gesellschafterbeschlüsse sind entwede...