Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen für die Ersetzung der Einwilligung des nicht sorgeberechtigten Elternteils in die vom sorgeberechtigten Elternteil beabsichtigte Einbenennung des Kindes nach § 1618 S. 4 BGB.
2. In diesem Ersetzungsverfahren hat das Gericht vor der Entscheidung gemäß § 160 Abs. 1 S. 1 FamFG grundsätzlich auch den nicht sorgeberechtigten Elternteil persönlich anzuhören.
3. Wegen §§ 1618 S. 5 und 6, 1617c Abs. 1 S. 3 BGB sind die vorzulegenden Einwilligungserklärungen der Mutter, des Ehemannes sowie des Kindes gegenüber dem Standesbeamten abzugeben und zudem öffentlich zu beglaubigen. Solange dies nicht erfolgt ist, kommt eine Ersetzung der Einwilligung des nicht sorgeberechtigten Elternteils nach § 1618 S. 4 BGB bereits formal nicht in Betracht.
Normenkette
BGB § 1617c Abs. 1 S. 3, § 1618 Sätze 4-6; FamFG § 160 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
AG Neunkirchen (Beschluss vom 30.11.2021; Aktenzeichen 6 F 269/21 SO) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - in Neunkirchen vom 30. November 2021 - 6 F 269/21 SO - aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht - Familiengericht - in Neunkirchen zurückverwiesen.
2. Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben.
Gründe
I. Der am 12. Januar 2007 geborene, heute 15 Jahre alte D. L. ging aus der Verbindung der Antragstellerin (fortan: Mutter) und des Antragsgegners (Vater) hervor, die weder miteinander verheiratet waren noch sind. Der Vater erkannte die Vaterschaft an; Sorgeerklärungen wurden nicht abgegeben. Die Mutter erteilte D., der in ihrem Haushalt lebt, den Nachnamen des Vaters.
Der Vater hat ein weiteres Kind, die am 24. Januar 2018 geborene M. L..
Die Mutter heiratete später Herrn G. C. (Ehemann) und trägt dessen Namen als Ehenamen.
Der Vater hat die Zustimmung zu der von Mutter und Kind zunächst begehrten Namensänderung, wonach das Kind zukünftig den Nachnamen "C." tragen soll, verweigert.
Die Mutter behauptet, ihr Ehemann sei mit dieser Namensänderung einverstanden und hat mit am 30. August 2021 beim Familiengericht eingegangenem Antrag die Ersetzung der Einwilligung des Vaters in D. Einbenennung erstrebt.
Das Familiengericht - Rechtspflegerin - hat die Mutter und D. am 13. September 2021 persönlich angehört und die Sitzungsniederschrift sowie den verfahrenseinleitenden Antrag dem Vater und dem Jugendamt unter Fristsetzung zur Stellungnahme zugeleitet. Während das Jugendamt die Einbenennung unter dem 20. Oktober 2021 - u.a. nach einem Gespräch mit dem Vater - befürwortet hat, hat sich dieser erstinstanzlich gegenüber dem Gericht nicht geäußert.
Durch den angefochtenen Beschluss, auf den Bezug genommen wird, hat das Familiengericht die Einwilligung des Vaters in die Einbenennung des Kindes in "D. C." ersetzt.
Mit seiner Beschwerde erstrebt der Vater - sinngemäß - die Zurückweisung des Einbenennungsbegehrens; die Mutter bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels. Beide Eltern stellen zudem zuletzt hilfsweise Antrag nach § 69 Abs. 1 S. 3 FamFG. Das Jugendamt verteidigt das angegriffene Erkenntnis.
Das Familiengericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 1. April 2022 nicht abgeholfen.
II. Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde - bezüglich derer wegen § 68 Abs. 1 S. 2 FamFG die vom Familiengericht getroffene Nichtabhilfeentscheidung nicht veranlasst gewesen ist - hat in der Sache - vorläufigen - Erfolg und führt - wie zuletzt von den Eltern übereinstimmend hilfsweise begehrt - zur Aufhebung des beanstandeten Beschlusses und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Familiengericht. Denn dessen Verfahren leidet an mehreren wesentlichen Mängeln und für eine Entscheidung des Senats wären aufwändige Ermittlungen notwendig (§ 69 Abs. 1 S. 3 FamFG).
Das Familiengericht hat die angegriffene Endentscheidung erlassen, ohne zuvor den Vater persönlich anzuhören und - auch, aber nicht nur deswegen - die amtswegig gebotene Sachverhaltsaufklärung unterlassen.
Gemäß § 1618 S. 4 BGB kann das Familiengericht die Einwilligung des nicht sorgeberechtigten Elternteils in die vom anderen, sorgeberechtigten Elternteil nach § 1618 S. 1 und 2 BGB beabsichtigte Einbenennung ersetzen, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Danach reicht es allerdings nicht aus, dass die Namensänderung bloß zweckmäßig ist oder dass es Gründe gibt, die für eine Einbenennung in die neue Familie sprechen. Insoweit stellt die Neufassung des § 1618 BGB durch Art. 1 Nr. 7 KindRG, mit der die zunächst vorgesehene Formulierung "dem Kindeswohl dienlich" durch "für das Kindeswohl erforderlich" ersetzt worden ist, eine Verschärfung der Voraussetzungen für die Ersetzung der Einwilligung des nicht sorgeberechtigten Elternteils dar, die dem ausdrücklichen Zweck dient, die Bindung des Kindes an diesen Elternteil zu unterstreichen.
Mit Blick darauf kommt die familiengerichtliche Ersetzung d...