Leitsatz (amtlich)

1. Zur Beweiswürdigung bei behauptetem rechtzeitigem Einwurf der Beschwerdeschrift in den Nachtbriefkasten.

2. Jedenfalls in Fällen nicht ausreichend nachvollziehbarer und längerer Umgangsverweigerung kann gegen den betreuenden Elternteil zur Durchsetzung des Umgangs Ordnungshaft (hier: fünf Tage) angeordnet werden, wenn die Anordnung eines Ordnungsgeldes keinen Erfolg verspricht.

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - in Saarbrücken vom 7. Oktober 2019 - 128 F 155/18 OV1 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise dahin abgeändert, dass gegen den Antragsgegner Ordnungshaft von fünf Tagen verhängt wird.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Hinsichtlich der erstinstanzlichen Kosten verbleibt es bei der Kostenentscheidung des Familiengerichts.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners (fortan: Vater) - hinsichtlich derer der Senat in Ansehung des Beschleunigungsgebots von § 88 Abs. 3 S. 1 FamFG von der Durchführung eines Abhilfeverfahrens abgesehen hat (vgl. dazu nur Zöller/Feskorn, ZPO, 33. Aufl., § 572, Rz. 4 m.w.N.) - hat einen Teilerfolg und führt zu einer erheblichen Herabsetzung der gegen ihn erstinstanzlich angeordneten Ordnungshaft.

Das Rechtsmittel des Vaters ist nach § 87 Abs. 4 FamFG i.V.m. §§ 567 ff. ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere hat der Vater seine sofortige Beschwerde gegen den ihm am 11. Oktober 2019 zugestellten angefochtenen Beschluss binnen der Zweiwochenfrist des § 569 Abs. 1 S. 1 und S. 2 ZPO beim Beschwerdegericht eingereicht.

Zwar weist der Eingangsstempel der gemeinsamen Poststelle der Justizbehörden bei dem Landgericht (im Weiteren: Poststelle) als Eingangsdatum - im Nachtbriefkasten - den 28. Oktober 2019 (einen Montag) aus. Indessen ist der Senat nach Beweisaufnahme mit dem nötigen Beweismaß davon überzeugt, dass die Beschwerdeschrift schon am Freitag, den 25. Oktober 2019 in den Nachtbriefkasten der Poststelle eingeworfen worden ist.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, welche sich der Senat zu eigen macht, wird die rechtzeitige Vornahme einer Verfahrenshandlung im Regelfall durch den Eingangsstempel des Gerichts auf dem entsprechenden Schriftsatz nachgewiesen (§ 418 Abs. 1 ZPO). Dieser Stempel beweist, dass das Schriftstück zu dem durch ihn beurkundeten bestimmten Zeitpunkt bei Gericht eingegangen ist. Der im Wege des Freibeweises zu führende Gegenbeweis ist allerdings zulässig (§ 18 Abs. 2 ZPO); notwendig ist die volle Überzeugung des Gerichts von dem rechtzeitigen Eingang des Schriftsatzes.

Der Gegenbeweis geht dahin, dass das Schriftstück zu einem anderen Zeitpunkt als dem durch den Eingangsstempel ausgewiesenen in den Herrschaftsbereich des Gerichts gelangt ist. Nicht beweisen muss der Beschwerdeführer demgegenüber, wie es trotz rechtzeitigen Einwurfs des Schriftstücks dazu gekommen ist, dass dieses den Eingangsstempel eines späteren Tages trägt. Dass eine ernstlich in Betracht zu ziehende Erklärung hierfür fehlt, führt deshalb nicht dazu, dass der von ihm zu erbringende Beweis misslungen ist. Bedeutung gewinnt dieser Aspekt nur im Rahmen der Beweiswürdigung. Erscheint ein Fehler im Verantwortungsbereich des Gerichts als unwahrscheinlich, kann dies im Einzelfall die Glaubhaftigkeit einer Aussage des Inhalts in Zweifel ziehen, ein Schriftsatz sei rechtzeitig in den Gerichtsbriefkasten eingelegt worden, und damit zur Folge haben, dass sich das Gericht nicht die erforderliche Überzeugung von deren Richtigkeit verschaffen kann.

Zwar reicht die bloße, in aller Regel nicht völlig auszuschließende Möglichkeit, dass ein Nachtbriefkasten aus technischen Gründen nicht richtig funktioniert oder bei der Abstempelung Fehler unterlaufen, zur Führung des Beweises der Unrichtigkeit des Eingangsstempels nach § 418 Abs. 2 ZPO nicht aus. Wegen der Beweisnot des Beschwerdeführers hinsichtlich gerichtsinterner Vorgänge dürfen die Anforderungen an den Gegenbeweis indessen nicht überspannt werden. Da der Außenstehende in der Regel keinen Einblick in die Funktionsweise des gerichtlichen Nachtbriefkastens sowie in das Verfahren bei dessen Leerung und damit keinen Anhaltspunkt für etwaige Fehlerquellen hat, ist es zunächst Sache des Gerichts, die insoweit zur Aufklärung nötigen Maßnahmen zu ergreifen. Sodann ist der Gegenbeweis als geführt anzusehen, wenn die Darstellung des Beschwerdeführers, er oder eine andere von ihm damit betraute Person habe das Schriftstück spätestens am letzten Tag der Frist in den Nachtbriefkasten eingelegt, in den Details plausibel und widerspruchsfrei ist und konkrete Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers und ggf. von ihm benannter Zeugen nicht bestehen. Denn dass ein Nachtbriefkasten im Einzelfall aus technischen Gründen nicht richtig funktioniert hat oder dem für sein Leeren und die Bearbeitung der Eingangspost zuständigen Wachtmeister bei ersterem oder letzterem ein Fehler unterläuft, kan...

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