Leitsatz (amtlich)

1. Im Verkehrsunfallprozess besitzt eine an der Unfallstelle abgegebene spontane Äußerung im Regelfall nicht die Rechtswirkungen eines konstitutiven oder deklaratorischen Schuldanerkenntnisses. Allerdings ist die Unfallschilderung eines Unfallbeteiligten im Rahmen der Beweiswürdigung nach § 286 ZPO als gewichtiges Indiz zu würdigen.

2. Eine volle Umkehr der Beweislast kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn sich der Unfallgegner noch an Ort und Stelle weigert, seine mündliche Unfallschilderung schriftlich zu bestätigen.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 29.06.2010; Aktenzeichen 15 O 219/09)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Saarbrücken vom 29.6.2010 - 15 O 219/09 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.006,40 EUR festgesetzt.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt der Kläger die Beklagte zu 1) als Halterin des Fahrzeugs Peugeot 308, amtliches Kennzeichen, das bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert war, aus einem Verkehrsunfall in Anspruch, welcher sich am 12.6.2009 in in der verkehrsberuhigten Straße "..." ereignete.

Die Zeugin parkte das Fahrzeug des Klägers, einen BMW 318d mit dem amtlichen Kennzeichen, auf der rechten Straßenseite auf dem Seitenstreifen, der durch eine gepflasterte Wasserrinne von der Fahrbahn getrennt ist. Kurz danach näherte sich die Beklagte zu 1) dem klägerischen Fahrzeug aus der gleichen Fahrtrichtung. Als sie das Fahrzeug des Klägers passierte, kam es zu einem Kontakt der beiden Fahrzeuge, wobei das klägerische Fahrzeug im vorderen linken Bereich und das Fahrzeug der Beklagten zu 1) im vorderen rechten Bereich beschädigt wurde. Im Unfallzeitpunkt ragte das Fahrzeug des Klägers teilweise in die Fahrbahn hinein.

Der Kläger hat behauptet, die Zeugin habe das Fahrzeug leicht schräg eingeparkt, damit die Beifahrerin, die Zeugin, ihre Mutter, wegen der auf der rechten Seite des Seitenstreifens befindlichen Mauer besser aus dem Auto habe aussteigen können. Hierbei habe die vordere linke Ecke einige Zentimeter in den Fahrbahnbereich hinein geragt, wobei die Durchfahrt anderer Fahrzeuge jedoch nicht behindert worden sei. Die Beklagte zu 1) sei mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit gefahren und mit dem im Kollisionszeitpunkt stehenden Fahrzeug des Klägers zusammengestoßen, weil sie zu früh nach rechts ausgeschert sei, um einem auf der Fahrbahn befindlichen Baum auszuweichen.

Der Kläger hat im ersten Rechtszug auf der Grundlage einer 100%igen Haftung der Beklagten Erstattung des ihm entstandenen Fahrzeugschadens begehrt, wobei er die Klage in Hinblick auf eine Leistung seiner Vollkaskoversicherung in Höhe eines Betrages von 8.175,56 EUR zurückgenommen hat. Darüber hinaus hat er Freistellung von den Kosten, die ihm aus der Beauftragung eines Sachverständigenbüros sowie aus der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs entstanden sind, begehrt. Schließlich hat er die Beklagten auf Erstattung vor- und außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Anspruch genommen.

Hinsichtlich des zuletzt gestellten erstinstanzlichen Antrags wird auf LG-U S. 4 f. (GA I Bl. 177 f.) Bezug genommen.

Dem sind die Beklagten entgegengetreten. Die Beklagten haben behauptet, die Beklagte zu 1) sei lediglich mit Schrittgeschwindigkeit gefahren und habe sich bereits in Höhe des am rechten Straßenrand geparkten klägerischen Fahrzeugs befunden, als dieses plötzlich in den fließenden Verkehr eingefahren sei, ohne dass die Fahrerin den linken Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt und die bevorrechtigte Beklagte zu 1) beachtet habe. Die Zeugin habe eingeräumt, den Unfall verursacht zu haben. Die Beklagten haben bestritten, dass durch den Unfall die vordere Achse des klägerischen Pkws beschädigt worden sei. Auch seien die an der Felge des linken Vorderrades befindlichen Schäden nicht auf den Unfall zurückzuführen. Hinsichtlich des nicht beschädigten Reifens sei ein Abzug "alt für neu" vorzunehmen, der gemäß dem Gutachterbüro mit 30,60 EUR netto zu berechnen sei. Auch sei die Erforderlichkeit, einen Mietwagen für 30 Tage anzumieten, nicht nachgewiesen, da nach dem Gutachten des Sachverständigen von einer Reparaturdauer von höchstens sechs Tagen auszugehen sei.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, dass eine deliktische Haftung der Beklagten schon deshalb nicht in Betracht komme, weil ein Verschulden der Beklagten zu 1) nicht nachgewiesen sei. Auch eine Haftung der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Gefährdungshaftung (§ 7 StVG) komme nicht in Betracht: Da die Zeugin an der Unfallstelle ein Schuldanerkenntnis abgegeben habe, müsse der Kläger den Nachweis führen, dass die Zeugin an dem Zustandekommen des Unfalls nicht schuld gewesen sei. Diesen Beweis habe der Kläger nicht erbracht. Auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung wird auch hinsichtlich der darin enthaltenen Feststellungen ...

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