Leitsatz (amtlich)
1. Unklar i.S.v. § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO ist eine Verkehrslage, wenn nach den für den Überholer erkennbaren Gesamtumständen mit einem ungefährdeten Überholen nicht gerechnet werden kann.
2. Eine altersbedingte Fahruntüchtigkeit kann bei der Schadensabwägung nach § 17 Abs. 1 StVG nur dann betriebsgefahrerhöhend berücksichtigt werden, wenn sie sich nachweislich unfallursächlich ausgewirkt hat.
3. Bei einer nicht bezifferten Feststellungsklage scheidet der Erlass eines Grundurteiles grundsätzlich aus, weil es kein Betragsverfahren gibt.
Normenkette
StVG § 17 Abs. 1; StVO § 5 Abs. 3 Nr. 1; ZPO § 304 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Aktenzeichen 6 O 35/01) |
Tenor
I. Die Erstberufung der Beklagten und die Zweitberufung des Klägers gegen das am 18.3.2002 verkündete Grundurteil des LG Saarbrücken – Az. 6 O 35/01 – werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das angefochtene Grundurteil wie folgt neu gefasst wird:
1. Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 1.195,56 Euro nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes (vom 9.6.1998, BGBl. I, 1242) vom 15.2.2001 bis zum 31.12.2001 sowie ab dem 1.1.2002 i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz des BGB zu zahlen.
2. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes ist dem Grunde nach unter Berücksichtigung eines eigenen Mitverschuldens des Klägers von 50 % mit der Maßgabe gerechtfertigt, dass der Schmerzensgeldanspruch einer zeitlichen Beschränkung nicht unterliegt.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger 50 % der materiellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 13.8.2000 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen.
4. Es wird ferner festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger den aus dem Unfallereignis vom 13.8.2000 zukünftig entstehenden immateriellen Schaden unter Berücksichtigung eines eigenen Mitverschuldens des Klägers von 50 % zu ersetzen.
5. Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.
II. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem LG vorbehalten.
III. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Gegenstand der Klage sind Ansprüche des Klägers wegen der Folgen eines Verkehrsunfalles, der sich am 13.8.2000 gegen 9.00 Uhr in der S.-Straße in O. ereignet hat, als der Beklagte zu 1) mit seinem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw … nach rechts in seine Garageneinfahrt abbog und der nachfolgende Kläger mit seinem Motorroller (…) das Fahrzeug des Beklagten zu 1) rechts überholen wollte. Der Kläger fuhr gegen die rechte Seite des Fahrzeugs des Beklagten zu 1). Er kam zu Fall, wurde erheblich verletzt (vgl. hierzu den Entlassungsbericht der Universitätskliniken vom 28.8.2000, Bl. 15 d.A.) und musste stationär behandelt werden. An seinem Motorroller entstand Totalschaden.
Der Kläger hat mit der vorliegenden Klage den ihm entstandenen Sachschaden i.H.v. 4.676,64 DM (4.100 DM Wiederbeschaffungswert des Motorrollers, 526,64 DM Gutachterkosten und 50 DM pauschale Kosten) sowie ein angemessenes Schmerzensgeld für den Zeitraum bis zur letzten mündlichen Verhandlung (und zwar mindestens 45.000 DM, Bl. 6 d.A.) geltend gemacht. Ferner hat er die Feststellung der gesamtschuldnerischen Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz sämtlicher materieller und immaterieller Schäden verlangt, soweit Letztere nach der letzten mündlichen Verhandlung entstehen. Er hat behauptet, dass der Beklagte zu 1) vor dem Abbiegevorgang zunächst auf die Gegenfahrbahn gefahren sei, dort eine erhebliche Strecke zurückgelegt und so im Kläger den Eindruck erweckt habe, in eine der links gelegenen Einfahrten fahren zu wollen. Als der Kläger das Fahrzeug des Beklagten zu 1) rechts habe überholen wollen, sei der Beklagte zu 1) plötzlich und ohne einen Blinker zu setzen nach rechts in seine Grundstückseinfahrt abgebogen. Er, der Kläger, habe eine Kollision nicht mehr vermeiden können (Bl. 2 d.A.).
Der Beklagte zu 1) hat dagegen behauptet, nicht auf die Gegenfahrbahn gefahren zu sein und seine Rechtsabbiegeabsicht durch das Setzen des rechten Blinkers rechtzeitig angekündigt zu haben. Da der Kläger dennoch rechts überholt habe, habe er den Unfall alleine verschuldet. Der Kläger sei übermüdet und/oder alkoholisiert gewesen, weil er die ganze Nacht in einer Lokalität in O. durchgefeiert habe und im Unfallzeitpunkt auf dem Heimweg gewesen sei (Bl. 40 ff. d.A.).
Das LG hat die Ermittlungsakten 68 Js 1845/00 der Staatsanwaltschaft Saarbrücken beigezogen (Bl. 30, 65, 143 d.A.). Es hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen K. und G. (Bl. 65 ff. d.A.), durch Einholung des schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen P. vom 16.7.2001 (Bl. 84 ff. d.A.) sowie durch mündliche Erläuterung dieses Gutachtens (Bl. 136 f. d.A.). Es hat sodann durch das am 18.3.2002 verkündete Grundurteil ...