Leitsatz (amtlich)
Reicht das medizinisch-technische Erfahrungswissen nicht aus, um den sicheren, durch objektivierbare Befunde gestützten Nachweis für leichtgradige Verletzungsfolgen (im Fall: eine leichtgradige HWS-Distorsion) zu führen, begegnet es auch im Anwendungsbereich des § 286 ZPO keinen durchgreifenden Bedenken, wenn das Gericht die volle Überzeugung von der Wahrheit der zu beweisenden Tatsache insbesondere aus der Glaubhaftigkeit und Plausibilität des Klägervortrags herleitet.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 01.09.2009; Aktenzeichen 14 O 210/08) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Saarbrücken vom 1.9.2009 - 14 O 210/08, mit der Maßgabe abgeändert, dass in Ziff. 2 die in der angegebenen Weise zu verzinsende Nebenforderung lediglich 93,41 EUR beträgt. Die in Ziff. 3 tenorierte Feststellung entfällt. Insoweit werden die weitergehende Zahlungs- und die Feststellungsklage abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt 85 %, die Beklagten tragen als Gesamtschuldner 15 % von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin 63 %, die Beklagten tragen als Gesamtschuldner 37 %.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt die Klägerin die Beklagten aus einem Verkehrsunfall auf Zahlung von Schmerzensgeld und Feststellung künftiger Einstandspflicht in Anspruch.
Die 1965 geborene Klägerin befuhr am 21.1.2008 mit einem Pkw der Marke Mercedes C 180 die Zufahrtsstraße zum [Einkaufscenter] in S.. Der Beklagte zu 2), dessen Pkw bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversichert war, fuhr rückwärts aus einer Parklücke heraus und kollidierte mit dem Fahrzeug der Klägerin. Das von der Klägerin gesteuerte Fahrzeug wurde an der linken Seite beschädigt. Der Sachschaden belief sich auf 3.850,72 EUR und wurde von der Beklagten zu 1) reguliert.
Am Fahrzeug des Beklagten zu 2) waren nur kleine Lackschäden entstanden, die mit einer Lackpolitur vollständig zu entfernen waren.
Die Klägerin wurde von den behandelnden Ärzten im E ... ~krankenhaus in S. bis zum 28.1.2008 krankgeschrieben. Am 21.2.2008 erstellte der Hausarzt der Klägerin ggü. der Beklagten 1) einen ärztlichen Bericht, in dem er als aktuellen Befund eine HWS-Distorsion sowie ein Schulter-Arm-Syndrom festhielt (Bl. 9 f.d.A.).
Die Klägerin forderte die Beklagte zu 1) mit Schreiben vom 28.3.2008 unter Fristsetzung zum 5.4.2008 auf, einen Schmerzensgeldvorschuss i.H.v. 1.000 EUR zu zahlen.
Die Klägerin hat behauptet, sie habe bei dem Unfall paravertebrale Myalgien der HWS und der rechten Schulter erlitten, wodurch sie dauerhaft in der Rotation, Abduktion und dem Vorheben der Schulter schmerzbedingt eingeschränkt sei. Vom Hausarzt sei das Tragen einer sog. Schanz'sche Krawatte verordnet worden.
Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin die Beklagten auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Anspruch genommen, dessen Höhe sie in das Ermessen des Gerichtes gestellt hat. Darüber hinaus hat die Klägerin die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.023,13 EUR geltend gemacht, deren Höhe sie ausgehend von einem Streitwert von 20.000 EUR berechnet hat. Im Wege des Feststellungsantrags hat die Klägerin die Feststellung der künftigen Einstandspflicht der Beklagten begehrt.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld zahlen;
2. die Beklagten weiterhin zu verurteilen, an die Klägerin 1.023,13 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
3. festzustellen, dass die Beklagten sämtliche zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden zu bezahlen haben, soweit diese auf dem Unfallereignis in S. auf dem Parkplatz [Einkaufscenter] vom 21.1.2008 zwischen den Fahrzeugen des S..-... und M..-... basieren.
Dem sind die Beklagten entgegengetreten. Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, dass eine Verletzung der Klägerin an ihrer rechten Schulter nicht nachvollziehbar sei, weil bei einem Anstoß gegen die linke Seite die Kräfte in der Form wirken würden, dass der Fahrer nach links gegen die Fahrertür gedrückt werde. Wegen der geringen Geschwindigkeit sei es nicht möglich, dass eine HWS-Verletzung beziehungsweise eine Verletzung der rechten Schulter durch den Unfall verursacht worden sei. Die aufgestellten Diagnosen beruhten lediglich auf subjektiven Angaben der Klägerin. Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, der Klägerin stehe kein Schmerzensgeldanspruch zu, weil es sich allenfalls um geringfügige Verletzungen gehandelt haben könne. Auch sei kein Dauerschaden eingetreten.
Das LG hat im angefochtenen Urteil unter Klageabweisung im Übrigen die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung eines Schmerzensgeldes i.H.v. 600 EUR sowie vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.H.v. 229,55 EUR verurteilt. Darüber hinaus hat das LG dem Feststellungsantrag stattgegeben.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Beru...