Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu den Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung nach § 185 ZPO
Leitsatz (amtlich)
Die Bewilligung der öffentlichen Zustellung beruht erkennbar auf einer fehlerhaften Rechtsanwendung und setzt den Lauf der Einspruchsfrist nicht in Gang, wenn das für eine Zustellung in Frankreich veranlasste Zustellungsersuchen unerledigt zurückgesandt wird und aus dem Aktenbestand nicht ersichtlich ist, auf welcher Tatsachengrundlage die Angabe beruht, dass der Zustellempfänger mit unbekanntem Ziel ins Ausland verzogen sei.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 29.01.2008; Aktenzeichen 4 O 188/07) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das am 29.1.2008 verkündete Urteil des LG Saarbrücken - 4. O. 188/07 - aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung über den als zulässig anzusehenden Einspruch des Beklagten gegen das Versäumnisurteil des LG Saarbrücken vom 16.3.2006 - 4 O 230/05 - an das LG Saarbrücken zurückverwiesen.
II. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Berufungsverfahren wird nach § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG abgesehen. Im Übrigen bleibt die Entscheidung über die Kosten dem LG vorbehalten.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Der Beklagte war Gesellschafter und Geschäftsführer der A. P. Ingenieurgesellschaft für Siedlungswasserwirtschaft mbH (fortan: GmbH) mit Sitz in S.. Auf den Insolvenzantrag des Beklagten vom 24.5.2000 wurde mit Beschluss des AG Saarbrücken vom 1.6.2000 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet. Die Klägerin nimmt den Beklagten mit vorliegendem Verfahren auf Schadensersatz i.H.v. 41.403,27 EUR (nebst Zinsen) wegen Insolvenzverschleppung in Anspruch.
Nachdem die Klägerin zunächst außergerichtlich über die Rechtsanwälte A. & A. mit dem Beklagten wegen der streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche korrespondiert hatte, reichte sie mit Schriftsatz vom 27.6.2005, eingegangen bei Gericht am 28.6.2005, Klage gegen den Beklagten ein, wobei dessen Anschrift mit "[Straße, Nr.] in F - [PLZ, Ort]" angegeben war. Über die Prüfungsstelle des LG Saarbrücken wurde der Versuch einer Zustellung nach den Vorschriften der EG-Zustellungsverordnung in Frankreich unternommen. Am 11.10.2005 wurde das Ersuchen von der Prüfungsstelle als unerledigt zurückgesandt mit dem Vermerk, dass der Zustellempfänger nach T./Albanien verzogen sei. Mit Schriftsatz vom 21.11.2005 beantragte die Klägerin unter Vorlage einer Einwohnermeldeamtsanfrage in [Ort], die ergeben hatte, dass der Beklagte in Frankreich keinen Anschriftenwechsel mitgeteilt hatte, die öffentliche Zustellung der Klageschrift an den Beklagten, weil der Beklagte unbekannten Aufenthalts sei. Auf die Verfügung vom 18.11.2005, mit der der Klägerin weitere Ermittlungen in Albanien aufgegeben wurden, teilte die Klägerin mit Schreiben vom 26.1.2006 mit, dass die Deutsche Botschaft nach mehrmaligen Anfragen mitgeteilt habe, dass in der Republik Albanien kein Zentrales Melderegister bestehe, der Beklagte in der Deutschen Botschaft in T. nicht bekannt und in der dort geführten Liste nicht erfasst sei. Hierauf bewilligte das LG die öffentliche Zustellung der Klage, die am 7.2.2006 an der Gerichtstafel ausgehängt wurde. Am 16.3.2006 erließ das LG auf Antrag der Klägerin ein Versäumnisurteil nach § 331 Abs. 3 ZPO, in dessen Ziff. 4 des Tenors die Einspruchsfrist auf einen Monat festgesetzt wurde. Mit Beschluss vom selben Tage wurde die öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils bewilligt, das am 5.4.2006 an die Gerichtstafel geheftet wurde. Die Zustellung des Versäumnisurteils an die Klägerin erfolgte am 6.4.2006.
Mit Schriftsatz vom 12.4.2007, eingegangen bei Gericht am 13.4.2007, bestellten sich die jetzigen Prozessbevollmächtigten des Beklagten und beantragten Akteneinsicht für den Beklagten. Die Akte wurde diesen am 25.4.2007 ausgehändigt. Mit Schriftsatz vom 9.5.2007, bei Gericht eingegangen am gleichen Tage, beantragte der Beklagte Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Einspruchsfrist und der Frist zur Abgabe der Verteidigungsanzeige und legte gegen das Versäumnisurteil vom 16.3.2006 Einspruch ein, der mit gesondertem Schriftsatz vom selben Tag begründet wurde. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den Inhalt dieses Schriftsatzes verwiesen, in dem der Beklagte sich u.a. auf Verjährung berufen hat.
Das LG hat sodann nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch das nunmehr angefochtene Urteil (Bl. 165 ff. d.A.) den Einspruch gegen das Versäumnisurteil als unzulässig verworfen und zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Dem Beklagten sei das Versäumnisurteil wirksam durch öffentliche Zustellung gem. § 185 ZPO am 6.5.2006 zugestellt worden. Die auf einen Monat festgesetzte Einspruchsfrist sei daher am 9.5.2007 - dem Tag des Eingangs des Einspruchs bei Gericht - längstens versäumt gewesen. Ungeachtet der zwischen den Parteien umstrittenen Frage, ob die Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung vorlagen, wei...