Entscheidungsstichwort (Thema)
Verkehrssicherungspflichten bei einem Kinderfußballturnier
Leitsatz (amtlich)
Herausziehbare Tribünen mit offenem Stahlgestänge stellen bei der Durchführung von Kinderfußballturnieren für die kindlichen Besucher der Halle eine objektive Gefahrenquelle dar. Der Hallenbetreiber verletzt die ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht, wenn er keine Maßnahmen ergreift, um ein unkontrolliertes Spielen der Kinder im Bereich der Tribünen zu verhindern.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 24.11.2004; Aktenzeichen 4 O 206/04) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Saarbrücken vom 24.11.2004 - 4 O 206/04 - wie folgt abgeändert:
a) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld von 10.000 EUR zu zahlen.
b) Es wird festgestellt, dass die Beklagte darüber hinaus verpflichtet ist, der Klägerin jeden materiellen und immateriellen Folgeschaden aus dem Unfallereignis vom3.2003 im Sportzentrum XXX Weg in S. zu ersetzen, soweit nicht der materielle Anspruch auf Dritte übergegangen ist.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 11.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die im Jahr 1995 geborene Klägerin nimmt die Beklagte unter dem rechtlichen Aspekt der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht auf Zahlung von Schmerzensgeld und Feststellung der Einstandspflicht in Anspruch.
Am3.2003 veranstaltete die Streitverkündete in der Sporthalle der Beklagten ein Fußballturnier. Jeder Verein, der das von der Beklagten unterhaltene Sportzentrum nutzt, muss zuvor eine Haftungserklärung (Bl. 22 d.A.) abgeben, die auszugsweise folgenden Inhalt hat:
Die Haftung für Personen- und Sachschäden, die im Zusammenhang mit der Benutzung eintreten, obliegt dem Benutzer.
In der Sporthalle waren am fraglichen Tag Tribüneneinrichtungen in Richtung des Spielfeldes ausgezogen, deren stählerne Unterkonstruktion seitlich begehbar war. Die Eigenarten dieser Tribünenkonstruktion und die örtlichen Gegebenheiten werden auf den Lichtbildern Bl. 29, 30 d.A. wiedergegeben.
Die Klägerin hat behauptet, sie sei anlässlich des Turnieres zusammen mit anderen Kindern im Bereich der Zuschauertribüne herumgelaufen und sei hierbei auch unter die Tribüne gelangt, an deren Gestänge sich Kinder festhalten, schaukeln und auch klettern könnten. Hierbei sei sie schließlich zu Fall gekommen und habe sich schwer verletzt.
Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die Klägerin am3.2003 im Klinikum S1 mit der im Arztbericht vom 18.6.2003 (Bl. 7 d.A.) aufgeführten Diagnose eingeliefert wurde. Sie musste sich einer Serie von operativen Eingriffen unterziehen und befand sich bis zum 2.5.2003 in stationärer Behandlung.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt habe. Nach der Lebenserfahrung habe sie damit rechnen müssen, dass spielende, kleinere Kinder sich unter die Tribüne begeben und dort spielen würden. In Anbetracht dessen hätte die gefährliche Tribüne nicht ungesichert, unbeaufsichtigt und frei zugänglich in den Verkehr gebracht werden dürfen. Es sei Aufgabe der Beklagten gewesen, die seitlichen Öffnungen der Tribüne zu verschließen, da das Geflecht von Stangen in verschiedenen Höhen und der Höhlencharakter des Bauwerks geradezu eine Einladung zum Spielen dargestellt habe.
Die Klägerin hat beantragt,
a) die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in angemessener Höhe zu zahlen, dessen Mindestbetrag die Klägerin mit 10.000 EUR beziffert,
b) festzustellen, dass die Beklagte für jeden materiellen und immaterielle Folgeschaden aus dem Unfallereignis vom3.2003 im Sportzentrum, ...-Weg in S., einstandspflichtig ist.
Dem ist die Beklagte entgegengetreten. Die Beklagte hat den Unfall und den Unfallhergang mit Nichtwissen bestritten. Nach Ansicht der Beklagten sei eine verkehrsicherungspflichtige Gemeinde nur gehalten, solche nicht unerheblichen Gefahrenstellen zu vermeiden, die nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die sich der Verkehr nicht oder nicht rechtzeitig einzustellen vermag. Für jeden, der sich unter die Stufen der dargestellten Tribüne begebe, sei es vorhersehbar, dass er aufpassen müsse. Die Stolpergefahr sei offensichtlich. Von einem siebenjährigen Kind könne erwartet werden, dass es die dargestellten Hindernisse als gefährlich erkenne. Darüber hinaus habe die Mutter der Klägerin nicht vorgetragen, was sie selbst unternommen habe, um den behaupteten Unfall zu vermeiden. Offenbar habe die gesetzliche Vertreterin trotz Kenntnis der Situation die Klägerin unter der Tribüne spielen lassen. Am fraglichen Tag habe der Hausmeister keine spielenden Kinder unter der Tribüne gesehen, weshalb auch keine Veranlassung bestanden habe einzuschreiten.
Das LG hat die Klage abgewiesen und hierzu ausgeführt, eine Haftung der Beklagten scheide jedenfalls deshalb aus, weil der Beklagten in der konkreten Aus...