Leitsatz (amtlich)
Fehlen objektive Befunde für eine Berufsunfähigkeit verursachende Erkrankung, so kann deren Nachweis auf der Grundlage einer sachverständigen Begutachtung der Beschwerdeschilderung erfolgen. Der Sachverständige darf diese Beschwerdeschilderung jedoch nicht unbesehen hinnehmen, sondern muss sie anhand der hierfür zur Verfügung stehenden Methoden und testpsychologischen Verfahren überprüfen (Post-Borreliose-Syndrom).
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 10.01.2008; Aktenzeichen 14 O 258/05) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das am 10.1.2008 verkündete Urteil des LG Saarbrücken, Az.: 14 O 258/05, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
4. Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 21.158,90 EUR festgesetzt.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger war bis Mai 2003 als Verwaltungsangestellter beim Straßenbauamt H. tätig. Zu seinen Aufgaben gehörte die Betreuung des Grund- und Bodenerwerbs für den Aus-/Neubau für Straßen des Landes N., was die Besichtigung der Grundstücke zwecks Aufnahme der entschädigungsrelevanten Details vor Ort, die Ausarbeitung von Vertragsangeboten einschließlich eventueller Nebenentschädigungen sowie die Besprechung der Angebote mit den Betroffenen umfasste (Bl. 8 d.A.).
Er macht Ansprüche geltend aus einer seit dem 1.12.2001 bestehenden Risiko-Lebensversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (Versicherungsschein-Nr., Bl. 45 d.A.) wegen angeblicher Gesundheitsbeeinträchtigungen nach einem Zeckenstich im April 2002, in deren Folge eine Borreliose diagnostiziert worden war. Der Kläger führt die behaupteten fortbestehenden Beeinträchtigungen in Form von chronischen Muskel- und Gelenkschmerzen, Steifigkeit, einer Allgemeinschwächung der körperlichen Leistungsfähigkeit durch starke Müdigkeit und Abgeschlagenheit, verbunden mit erheblichen Konzentrationsstörungen und - als reaktiver Folge - starker Niedergeschlagenheit auf das Vorliegen eines sog. Post-Borreliose-Syndroms zurück.
Die Borreliose des Klägers wurde zunächst antibiotisch behandelt. In der Zeit vom 26.8.2003 bis zum 23.9.2003 unterzog sich der Kläger, der seit dem 13.5.2003 ununterbrochen arbeitsunfähig krank geschrieben war, einer Rehabilitationsmaßnahme, aus der er arbeitsunfähig entlassen wurde (vgl. Bl. 63 d.A.). Eine im November 2003 begonnene gestufte Wiedereingliederungsmaßnahme wurde im Januar 2004 abgebrochen. Ein für die T. Krankenkasse aus Anlass der Einleitung von Rehabilitationsmaßnahmen und der stufenweisen Wiedereingliederung erstelltes sozialmedizinisches Gutachten vom 3.3.2004 (Bl. 9 ff. d.A.) gelangte zu folgender Diagnose:
"B99 Zustand nach Borrelieninfektion 04/02, mit anhaltendem Erschöpfungssyndrom, Schlafstörungen, geminderter Belastbarkeit sowie therapieresistenten Myalgien und Arthralgien, ohne relevante Funktionseinschränkungen".
Unter "Beurteilung und Leistungsvermögen" heißt es in dem Gutachten:
"Da die Maßnahme der gestuften Wiedereingliederung kurz vor Erreichen der vollen Arbeitszeit auf Grund der weiter bestehenden Minderbelastung, außergewöhnlichen Erschöpfung und der weiter bestehenden Myalgien gescheitert ist, ist die Wiederaufnahme der jetzigen Tätigkeit nach der langen Arbeitsunfähigkeitszeit und des nicht gebesserten Zustandes nicht realistisch.
Aus medizinischer Sicht wären Tätigkeiten möglichst im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen, ohne regelmäßiges schweres Heben und Tragen, Arbeiten unter ständigem Stress und Zeitbelastung, mit Möglichkeiten von selbst eingeteilten Ruhe- und Belastungsphasen indiziert".
Mit Schreiben vom 18.5.2004 beantragte der Kläger daraufhin Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung. Die Beklagte lehnte die Gewährung von Versicherungsschutz mit Schreiben vom 23.5.2005 (Bl. 29 d.A.) nach Einholung eines neurologischen Gutachtens des Prof. Dr. med. B., Medizinische Hochschule H., vom 15.4.2005 (Bl. 49 ff. d.A.) ab.
Mitte 2006 wurde durch den Allgemeinmediziner Dr. G. eine chronische Borreliose diagnostiziert und eine Langzeitbehandlung mit Antibiotika empfohlen (Bl. 121 d.A.).
Der Kläger hat unter Berufung auf ein ärztliches Attest des Neurologen Dr. M. vom 23.2.2005 (Bl. 33 d.A.) geltend gemacht, an einem durch fibromyalgische Beschwerden gekennzeichneten Post-Borreliose-Syndrom zu leiden. Aufgrund der hieraus folgenden erheblichen Einschränkungen seiner körperlichen Leistungsfähigkeit und Konzentrationsfähigkeit sei es unmöglich, über eine längere Dauer ohne Erholungspausen konzentriert, in Zwangshaltungen oder auf einem sitzenden Arbeitsplatz eingeschränkt zu arbeiten; weiterhin sei es ihm unmöglich, längere Zeiten auswärtiger Tätigkeiten einschließlich der hierfür erforderlichen Fahrtstrecken zu absolvieren. Es sei deshalb ausgeschlosse...