Leitsatz (amtlich)
Schließt ein Unfallverletzter mit dem gegnerischen Haftpflichtversicherer Abfindungsvergleiche, so ist er an der Geltendmachung zukünftiger Schäden gehindert. Betrifft der Vergleich immaterielle Schäden, so lebt der diesbezügliche Ersatzanspruch nicht dadurch wieder auf, dass in einem späteren Prozess auf einen Feststellungsantrag erkannt wird, dessen Auslegung nach den Gesamtumständen ergibt, dass er sich nur auf immaterielle Schäden bezieht.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 29.11.2004; Aktenzeichen 3 O 473/03) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das am 29.11.2004 verkündete Urteil des LG Saarbrücken (3 O 473/03) wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
A. Die Parteien streiten um Schadensersatz auf Grund eines Verkehrsunfalls.
Der Kläger wurde durch einen von dem Beklagten zu 1) allein verschuldeten Verkehrsunfall am 8.4.1987 am rechten Handgelenk erheblich verletzt (Bl. 2 d.A.). Der Kläger erlitt eine Radiustrümmerfraktur, die fehlerhaft verheilte. Dadurch kam es zu Beschwerden im rechten Handgelenk sowie zu einer 1997 diagnostizierten Handgelenksarthrose. Das Handgelenk wurde im Oktober 1997 operativ mit einer Stahlplatte versteift (Bl. 3 d.A.). Nach dem operativen Eingriff war der Kläger arbeitsunfähig (Bl. 3 d.A.).
Zum Unfallzeitpunkt war der Beklagte zu 1) bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert (Bl. 2 d.A.).
Am 23.1.1989 unterzeichnete der Kläger eine Abfindungserklärung (Bl. 31 d.A.). Diese enthielt über der Überschrift "Abfindungserklärung" den Zusatz "betrifft nur den Schmerzensgeldanspruch". Im nachfolgenden Text erklärte der Kläger, dass bei Auszahlung der Entschädigungssumme von 10.000 DM durch Vergleich alle Ansprüche aus dem Schadensereignis, gleichgültig ob sie voraussehbar waren oder nicht, für jetzt und für alle Zukunft endgültig und vollständig abgefunden seien.
Der Abfindungsbetrag von 10.000 DM wurde dem Kläger ausbezahlt.
Mit Schriftsatz vom 4.4.1990 (Bl. 5 d.A.) erhob der Kläger gegen die Beklagten Klage (Bl. 2 d.A.). Das Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen 12 O 1525/90 beim LG Saarbrücken geführt. In dem damaligen Verfahren stellte der Kläger einen Zahlungsantrag, der sich materiell auf einen Verdienstausfallschaden des Klägers gründete. Daneben wurde ein Feststellungsantrag mit folgendem Wortlaut gestellt:
"Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger alle weiteren ihm aus dem Unfall entstandenen oder noch entstehenden Schäden zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf öffentliche Versicherungsträger übergegangen sind."
In der Klageschrift wurde dieser Antrag folgendermaßen begründet:
"Was den Feststellungsantrag anbelangt, so wurde bereits in dem ärztlichen Gutachten vom 9.11.1988 festgestellt, dass mit Sicherheit eine Versteifung des rechten Handgelenks eintreten wird.
Es ist deshalb zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abzusehen, welche weiteren Heilbehandlungskosten auf den Kläger zukommen.
Des Weiteren kann im Moment noch nicht beurteilt werden, wie sich der berufliche Werdegang des Klägers weiterentwickelt. Wie oben dargelegt, tut der Kläger im Moment alles, um eine seinem vorherigen Beruf gleichwertige Stellung zu erhalten.
Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger letztlich eine schlechter bezahlte Stellung als die eines Steinbildhauers auf Dauer ausüben muss. Auch hierfür sind die Beklagten einstandspflichtig (vgl. Palandt, BGB, § 842 Anm. 2).
Durch das Unfallereignis entstand beim Kläger auch eine Verzögerung des Eintritts in das Erwerbsleben, wofür ebenfalls ein Ausgleich stattzufinden hat (vgl. Palandt, BGB, § 842 Anm. 2).
Insoweit besteht ein Feststellungsinteresse des Klägers."
Am 11.11.1992 erging in dem Verfahren 12 O 1525/90 ein Teilanerkenntnisurteil (Bl. 12 d.A.) mit dem Tenor (Bl. 2 d.A.):
"Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger alle weiteren ihm aus dem Unfall entstandenen oder noch entstehenden Schäden zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf öffentliche Versicherungsträger übergegangen sind."
Am 7.12.1996 unterzeichnete der Kläger eine mit "Teil-Abfindungserklärung" überschriebene Erklärung (Bl. 36 d.A.). Inhalt dieser war, dass bei Auszahlung der Entschädigungssumme von 110.000 DM durch Vergleich alle Ansprüche aus dem Schadensereignis, gleichgültig, ob sie bekannt oder unbekannt, ob sie voraussehbar seien oder nicht, für jetzt und für alle Zukunft endgültig und vollständig abgefunden seien.
Weiter heißt es in der Erklärung, dass der Kläger sich an diese Erklärung nicht mehr gebunden halten wolle, wenn nicht innerhalb von 4 Wochen - nach Eingang dieser Erklärung bei der H.-/H. - der Betrag gezahlt sei.
Schließlich ist in der Erklärung bestimmt, dass Zahlungen anzurechnen seien, soweit sie für Verdienstausfall - Abrechnungsmonate ab 1.1.1997 - geleistet würden.
Die Erklärung trägt den Stempelaufdruck "überwiesen 109.538 DM, 14.1.1997".
Der Kläger hat beantragt, 1. die Beklagten...