Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftungsausschluss zum Nachteil eines geschädigten Beifahrers

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Beifahrer wird jedenfalls dann i.S.d. § 8 Nr. 2 StVG beim Betrieb des Kraftfahrzeugs tätig, wenn er dem Fahrer das Kraftfahrzeug zur Verfügung stellt und Einfluss auf die Fahrstrecke nimmt.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 17.07.2008; Aktenzeichen 3 O 141/06)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Saarbrücken vom 17.7.2008 - 3 O 141/06 - wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.

IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 100.000 EUR festgesetzt.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt der Kläger die Beklagten aus einem Verkehrsunfall im Wege der Feststellungsklage auf Schadensersatz in Anspruch.

In der Nacht vom 21.9.2002 unternahmen der Beklagte zu 1) und der Kläger, nachdem sie zusammen getrunken hatten, in alkoholisiertem Zustand mit dem Pkw der Mutter des Klägers eine Fahrt nach M.. Das Fahrzeug war bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert. Gegen 1:10 Uhr kam das Fahrzeug auf der L 1XX zwischen L. und B. nach rechts von der Fahrbahn ab, fuhr in den Straßengraben und kam an der linken Böschung zum Stehen. Der Beklagte zu 1) wurde während des Unfallgeschehens aus dem Fahrzeug herausgeschleudert. Der Kläger wurde von Helfern, die als erste am Unfallort erschienen waren, im Fond des Fahrzeugs aufgefunden. Der Kläger erlitt eine Querschnittslähmung ab dem Halswirbelkörper C 7.

Der Kläger hat vorgetragen, er sei in der Unfallnacht lediglich Beifahrer des Beklagten zu 1) gewesen. Der Beklagte zu 1) habe die Fahrt veranlasst. Er habe nicht gewusst, dass der Beklagte zu 1) nicht über eine Fahrerlaubnis verfügt habe. Die Haar- und Sekretansammlungen, welche unstreitig an der Windschutzscheibe festgestellt wurden, würden vom Beklagten zu 1) stammen. Dies erlaube den Rückschluss, dass der Beklagte zu 1) das Fahrzeug auch gesteuert habe. Es sei davon auszugehen, dass der Beklagte zu 1) über die Fahrertür und nicht über den Windschutzscheibenbereich herausgeschleudert worden sei.

Der Kläger hat beantragt festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger den ihm infolge des Unfallgeschehens vom 21.9.2002 auf der Landstraße 1XX von L. nach B. entstandenen und künftig entstehenden materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie haben behauptet, der Kläger selbst sei Fahrer des Unfallfahrzeugs gewesen. Er habe die Fahrt trotz des alkoholisierten Zustandes gewünscht und habe sich dann auch von dem Beklagten zu 1) nicht davon abhalten lassen, selbst zu fahren. Der Kläger habe dem Beklagten zu 1) den Vorschlag gemacht, er solle angeben, dass er das Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt gefahren habe. Er werde ihn dann auch beteiligen. Nachdem er diesem Ansinnen entgegengetreten sei, sei er vom Kläger bedroht worden.

Dessen ungeachtet sei - so die Rechtsauffassung der Beklagten - eine Haftung aus § 7 StVG nach § 8 Abs. 2 StVG ausgeschlossen. Schließlich sei aufgrund der Umstände der Unfallfahrt von einem stillschweigenden Haftungsverzicht auszugehen.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung wird auch hinsichtlich der darin enthaltenen Feststellungen gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klagebegehren in vollem Umfange weiter.

Der Kläger vertritt zunächst die Auffassung, das LG habe die straßenverkehrsrechtliche Haftung zu Unrecht auf den Ausschluss des § 8 Nr. 2 StVG gestützt: Es könne keine Rede davon sein, dass der Beklagte zu 1) - die Richtigkeit des Klägervortrags unterstellt - auf bewusste Veranlassung des Klägers die Verfügungsgewalt über das Fahrzeug erhalten habe.

Weiterhin wendet sich die Berufung gegen die Feststellung des LG, es sei nicht bewiesen, wer das Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt gesteuert habe. Das LG habe nicht deutlich gemacht, dass es dem allgemein gehaltenen Beweisantrag des Klägers, die Fahrereigenschaft durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zu klären, nicht nachkommen werde. Daher habe der Kläger keine Veranlassung gesehen, einen ergänzenden Beweisantrag zu stellen.

Die gutachterlichen Feststellungen des Sachverständigen B. seien nicht frei von Widersprüchen: Da nur der Beklagte zu 1) Verletzungen im Kopfbereich aufgewiesen habe, könnten die im linken Bereich der Windschutzscheibe gesicherten Haaranhaftungen nur vom Beklagten zu 1) stammen. Dies beweise - sofern man unterstellt, dass der Beklagte zu 1)...

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