Leitsatz (amtlich)
Beantragt ein Versicherungsnehmer die Verlängerung einer Risikolebensversicherung, so muss ihn der Versicherer, der einen "neuen" Vertrag abschließen will, auf die damit verbundene - vorübergehende - Senkung des Schutzstandards durch erneute Leistungsausschlüsse beraten. Unterlässt er das, hat er dem Bezugsberechtigten Schadensersatz in Höhe der "alten" Versicherungssumme zu leisten, wenn sich der Versicherungsnehmer nach Beginn des neuen Versicherungsschutzes aber vor dem hypothetischen Ablauf des alten selbst tötet.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 20.11.2006; Aktenzeichen 12 O 121/06) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird Ziff. 1) des am 20.11.2006 verkündeten Urteils des LG Saarbrücken (12 O 121/06) abgeändert und wie folgt neu gefasst:
"Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag i.H.v. 76.693,78 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.8.2005 zzgl. Auslagen des Mahnverfahrens i.H.v. 2,55 EUR sowie einer Nebenforderung i.H.v. 916,40 EUR zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen."
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des erstinstanzlichen Rechtsstreits und des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 5 % und die Beklagte zu 95 %.
III. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die jeweilige Schuldnerin darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht die jeweilige Gläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Gründe
A. Die Parteien streiten um Ansprüche aus einer Risikolebensversicherung.
Der verstorbene Ehemann der Klägerin, C. W., unterhielt zum Zeitpunkt seines Todes bei der Beklagten eine Risikolebensversicherung (Vers.-Nr. AAAAA). Dieser lagen die Allgemeinen Bedingungen für die Risikoversicherung (ALB - Bl. 57 d.A.) zugrunde. Die Klägerin war als Begünstigte eingetragen. Die Todesfallsumme betrug 80.000 EUR (Bl. 15 u. 156 d.A.).
Der verstorbene Ehemann der Klägerin hatte bei der Beklagten bereits mit Wirkung zum 1.4.1996 eine Risiko-Lebensversicherung (Vers.-Nr. BBBBB) mit einer zehnjährigen Laufzeit abgeschlossen, so dass der Vertrag am 1.4.2006 abgelaufen wäre (Bl. 156 u. 157 d.A.). Dieser beinhaltete eine Versicherungssumme von 150.000 DM und der jährlich zu zahlende Beitrag betrug abzgl. der Überschussanteile 363,60 DM (Bl. 15 u. 157 d.A.).
Der Versicherungsnehmer forderte die Beklagte unter dem 20.8.2003 (Bl. 65 d.A.) auf, ihm ein Angebot über die Verlängerung der alten Police um weitere zehn Jahre zu unterbreiten (Bl. 15 u. 158 d.A.). Gleichzeitig änderte er das Bezugsrecht zugunsten der jetzigen Klägerin, was von der Beklagten mit Schreiben vom 30.8.2003 bestätigt wurde (Bl. 54 d.A.).
Unter dem 2.9.2003 unterschrieb der Ehemann der Klägerin dann einen erneuten Antrag auf Abschluss einer Risikolebensversicherung (Bl. 18 u. 54 d.A.). In dem Antrag vom 2.9.2003 (Bl. 27 d.A.) war in dem Feld "besondere Vereinbarungen" folgende handschriftliche Eintragung enthalten (Bl. 15 d.A.):
"Der bestehende Vertrag RLV Nr. BBBBB soll hierdurch abgelöst werden."
Die Beklagte bestätigte das Vertragsangebot mit Übersendung des Versicherungsscheins vom 13.9.2003 (Bl. 30 u. 54 d.A.).
Der Versicherungsnehmer wurde am 2.6.2005 auf einem Eimer sitzend und an einer Wand lehnend tot aufgefunden. Vor ihm auf dem Boden lag eine Pistole, aus der ein tödlicher Schuss auf den Kläger abgefeuert worden war. Der Einschuss fand im Bereich des Kehlkopfes statt. Der Austritt des Projektils erfolgte über das obere Schädeldach (Bl. 86 d.A.).
Mit Schreiben vom 31.8.2005, das mit einer Rechtsfolgenbelehrung gem. § 12 VVG versehen war, wies die Beklagte Ansprüche auf Auszahlung der Versicherungssumme ggü. der Klägerin zurück, weil deren Ehemann Suizid begangen habe (Bl. 16 d.A.).
Die Klägerin hat bestritten, dass sich ihr Ehemann selbst getötet habe. Gegen diese Annahme sprächen gewichtige Indizien (Bl. 86 f. d.A.).
Die Klägerin hat ferner die Ansicht vertreten, dass selbst für den Fall, dass von einem Freitod ihres verstorbenen Ehemanns auszugehen sei, dennoch ein Anspruch auf Auszahlung der Versicherungssumme bestehe, da der Versicherungsvertrag mehr als sieben Jahre bestanden habe und daher die Ausschlussklausel des § 9 ALB nicht eingreife. Denn der ursprüngliche Versicherungsvertrag aus dem Jahre 1996 sei durch den neuen Vertrag im Jahr 2003 nicht aufgelöst, sondern abgelöst worden (Bl. 16 d.A.). Insbesondere habe die Beklagte in ihrem Begleitschreiben zur Erteilung des neuen Versicherungsscheins nicht zum Ausdruck gebracht, dass sie den Antrag ihres Versicherungsnehmers nur unter der Einschränkung oder Abänderung anzunehmen bereit gewesen sei, den alten Vertrag aufzulösen. Hierauf hätte die Beklagte besonders hinweisen müssen.
Darüber hinaus habe der Ehemann der Klägerin mit der besonderen Abrede...