Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässige Berufung bei neuem Hauptantrag. Haupt- und Hilfsantrag in der Berufung. Freie Vereinbarung des Arbeitsentgelts. Mindestabstandsgebot im Berufsbeamtentum

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Berufung ist unzulässig, wenn sie den in erster Instanz erhobenen Klageanspruch nicht wenigstens teilweise weiterverfolgt, also - im Falle einer erstinstanzlichen Klagabweisung - deren Richtigkeit gar nicht in Frage stellt, sondern lediglich im Wege der Klageänderung einen neuen, bislang nicht geltend gemachten Anspruch zur Entscheidung stellt.

2. Die Unzulässigkeit der Berufung hinsichtlich des Hauptantrags berührt nicht die Zulässigkeit eines Hilfsantrags. Der Kläger kann im Berufungsverfahren weiterhin mit seinem Hilfsantrag seine im angefochtenen Urteil liegende Beschwer weiterverfolgen.

3. Die Vereinbarung des Entgelts zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer unterliegt der Privatautonomie, soweit diese nicht durch das Mindestlohngesetz, allgemeinverbindliche Mindestlohn-Tarifverträge oder - verbandsgebunden - durch sonstige Entgelttarifverträge oder unter Gesichtspunkten wie z.B. der Sittenwidrigkeit oder der Gleichbehandlung eingeschränkt ist.

4. Das Mindestabstandsgebot besagt, dass bei der Bemessung der Besoldung der qualitative Unterschied zwischen der Grundsicherung, die als staatliche Sozialleistung den Lebensunterhalt von Arbeitsuchenden und ihren Familien sicherstellt, und dem Unterhalt, der erwerbstätigen Beamten und Richtern geschuldet ist, hinreichend deutlich werden muss.

 

Normenkette

BesG SN 2014 § 44 Abs. 1 S. 1; TV-L; ArbGG § 66 Abs. 1, § 64 Abs. 6 S. 1; ZPO §§ 260, 263, 264 Nr. 2, § 523

 

Verfahrensgang

ArbG Leipzig (Entscheidung vom 13.08.2020; Aktenzeichen 2 Ca 3514/19)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 13.08.2020 – Az.: 2 Ca 3514/19 – wird hinsichtlich des durch Klageerweiterung in zweiter Instanz angebrachten Hauptantrages verworfen und im Übrigen zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten zweitinstanzlich um die Eingruppierung der Klägerin für die Zeit vom 01.01. bis 31.12.2019 in die Entgeltgruppe 14 TV-L sowie hilfsweise um die Zahlung einer Zulage zur Entgeltgruppe 13 für denselben Zeitraum.

Von der erneuten Darstellung des Tatbestandes wird aufgrund der Regelung in § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und stattdessen auf den Tatbestand des hier angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Leipzig Bezug genommen.

Die Klägerin hat nach teilweiser Rücknahme der Klage erstinstanzlich beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 2.040,00 Euro zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2019 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung wird ausgeführt, der Klägerin stehe für die geltend gemachte Zahlung keine Anspruchsgrundlage zur Seite. In dem auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Tarifvertrag über die Eingruppierung und die EntgO für die Lehrkräfte der Länder (TV EntgO-L) sei eine Zuordnung der angestellten Lehrkräfte zu Besoldungsgruppen verbeamteter Lehrkräfte erfolgt. Es sei somit zu prüfen, in welches Beamtenverhältnis die Klägerin als Lehrkraft übernommen werden könnte, wenn sie nach Abschluss ihres Lehramtsstudiums das Referendariat oder den Vorbereitungsdienst abgeschlossen hätte. Eine verbeamtete Grundschullehrerin sei in die Besoldungsgruppe A13 des Sächsischen Besoldungsgesetzes (SächsBesG) eingestuft, die Klägerin folglich in die Entgeltgruppe 13. Nach der Fußnote 6 zu Anlage 1 des § 24 Abs. 1 SächsBesG sei es möglich, für Lehrkräfte an Grundschulen nach Maßgabe des Haushaltsplans Planstellen mit einer Amtszulage nach Anlage 7 des SächsBesG auszustatten. Davon sei für das Jahr 2019 unstreitig kein Gebrauch gemacht worden. Der Anspruch ergebe sich auch nicht aus § 44 Abs. 1 SächsBesG. Zwar sei dort geregelt, dass die Besoldungsordnungen Amtszulagen vorsehen, sofern die Berücksichtigung dauerhaft wahrzunehmender herausgehobener Funktionen eine weitere Differenzierung der Ämtereinstufung erforderlich mache. Für Fachberater sei eine solche Amtszulage jedoch in der Anlage 7 zu § 44 Abs. 1 SächsBesG nicht vorgesehen. Hinsichtlich der Abweisung des Zinsanspruchs für die Zeit vom 01.01.2019 bis 31.12.2019 ist das Urteil rechtskräftig.

Gegen das dort am 11.09.2020 zugestellte Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt, welche am Montag, den 12.10.2020, beim Sächsischen Landesarbeitsgericht eingegangen ist und mit Eingang am 11.12.2020 innerhalb der gemäß Antrag vom 11.11.2020 verlängerten Frist unter Klageerweiterung begründet wurde.

Die Klägerin erweitert mit der Berufungsbegründung die Klage und macht nunmehr mit dem Hauptantrag die Entgeltgruppe 14 geltend, der bisherige Antrag wird als Hilfsantrag, hier mit späterem Zinsbeginn, gestellt. Zur Begründung ihrer Berufung führt die Klägerin aus, das Arb...

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